OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
um siezu retten, um sich gleichfalls in den Tod zu stürzen, er wusste es selbst nicht.
Doch Skythis packte ihn beim Kragen und riss ihn zurück. »Hiergeblieben, Johannes!« Ohne seinen Hilfsschreiber loszulassen, beugte er sich aus dem Seitenfenster und befahl Gregor, gerade dort anzuhalten, wo die Kutsche mit den fliehenden Frauen abgestürzt war.
»Jetzt steig aus«, befahl er Hannes, »aber ganz langsam. Und draußen rührst du dich nicht vom Fleck, bis ich es dir erlaube.«
Hannes’ Antwort bestand hauptsächlich aus Zähneklappern. Er kletterte aus dem Wagen und wäre beinahe umgefallen, so weich fühlten sich seine Knie an. Vorsichtshalber kauerte er sich über dem Steilhang hin, ehe er seine Augen mit bebender Hand beschirmte: Dort unten versank eben die Kutsche in einem gischtenden, gurgelnden Strudel.
Der Unterzensor trat neben Hannes und legte ihm eine Hand auf den Hinterkopf wie einem braven Spürhund. »Sie ersaufen mit Mann und Maus«, erklärte er im Tonfall höchsten Behagens. »Alle Teufelinnen hinten im Kasten und alle Rösser vorne im Geschirr. Siehst du, Johannes?« Er deutete auf den Fluss hinunter, als ob er sicherstellen wollte, dass seinem Hilfsschreiber auch ja keine Einzelheit entging. »Nur der Kutscher kann sich retten – siehst du, da paddelt er um sein Leben.«
Er riss Hannes an den Haaren, und der beeilte sich, zu versichern, dass er alles genau mitverfolgte. Auch die Gepanzerten hatten sich von ihren Pferden geschwungen und starrten auf den Fluss hinab. Die Kutsche war mittlerweile vollständig von den Fluten verschluckt worden. Eben kroch der Kutscher drüben ans trockene Ufer. Einer der Gepanzerten nahm sein Gewehr von der Schulter und legte auf den tropfnassen Mann an, der keuchend ins Schilf gesunken war und mit schreckensweiten Augen zu ihnen herüberstarrte.
»Lasst den armen Hund am Leben«, befahl Skythis. »Wie oft muss ich es euch noch sagen: Wir jagen Bücher, keine Menschen.«
Auf allen vieren kroch drüben der Kutscher davon. Hannes schlug die Hände vor sein Gesicht und begann, bitterlich zu weinen.
Der Unterzensor aber packte ihn neuerlich beim Kragen und zerrte ihn auf die Füße. »Was plärrst du denn, Johannes?«, sagte er so sanft, wie es seine heisere Hundestimme erlaubte. »Du hast mitgeholfen, eine ganze Kutsche voller Teufelinnen zu ersäufen, und deine Höllenstrafe gewiss beträchtlich verkürzt. Danke lieber deinem Herrn auf Knien, dass Er dir diese Gnade gewährt hat.«
Weiterhin schluchzend, warf sich Hannes vor dem Unterzensor auf die Knie.
»Doch nicht mir, du Narr«, knurrte Skythis und riss ihn abermals empor. »Dem Herrn im Himmel sollst du danken – bei den Teufeln hast du wohl sogar verlernt, wie man betet? Nun, ich will dich lehren, deinem Schöpfer zu danken. In die Sättel, Männer!«, befahl er den Gepanzerten und zog Hannes zur Kutsche zurück. »Die falschen Nonnen haben uns bis vor die Tore Würzburgs geführt – da lässt sich nun leicht erraten, zu welchem Satansabt sie die kleine Teufelin bringen wollten.«
Er deutete auf einen Hügel unweit vor ihnen, auf dem sich die Umrisse eines offenbar uralten Ruinengemäuers abzeichneten. »Dort auf dem Marienberg«, stieß er hervor, »haben in dunkler Vorzeit die Heidenpriester ihre Götzen angerufen. Aber keine Bange, Männer – schon seit einem halben Jahrtausend ragt dort auch ein steinernes Kruzifix empor. Unter diesem heiligen Zeichen mögt ihr rasten, während ich einen Brief an Cellari schreibe. Der Falke wird ihm die Botschaft sogleich überbringen: Die verbliebenen Teufel haben sich mit dem Höllenbuch in Trithemius’ Kloster verschanzt. Wir brauchen eine Hundertschaft Purpurkrieger zur Verstärkung.«
Kapitel VII
1
E
r konnte sich an den
fünfeckigen Tisch setzen oder im Kreis um die Steinbank herummarschieren. Er konnte sich vor eines der schmalen Fenster stellen und hinausschauen, obwohl dort außer Buschwerk nichts zu sehen war. Oder er konnte sich auf dem Strohlager ausstrecken, das die Mönche vor einer rückwärtigen Wand für ihn aufgeschüttet hatten. Nur eines konnte Amos nicht: diese Einsiedelei ohne Weiteres verlassen, um beispielsweise draußen im Park umherzuspazieren.
Alle paar Stunden kam ein Mönch herbeigeschlurft und brachte ihm Brot und Käse oder eine Schale voll Suppe. Doch hinter ihm wurde gleich wieder verriegelt und bei Tag und Nacht standen zwei Benediktiner, mit Schwertern bewaffnet, vor seiner Tür.
Die Fensterscharten waren so schmal,
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