OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
inneren Himmel auch absuchte – von Amos war nichts zu sehen.
Bei allen guten Geistern, dachte sie, was hat das zu bedeuten? Sie spürte doch, dass Amos wohlauf war, und Mutter Maria hatte es ihr ja eben gerade bestätigt. Was also war mit ihm geschehen, dass sein innerer Lichtquell wie zugemauert schien?
Sie überlegte, ob sie es wagen sollte, in magischem Flug ihrer Kutsche voraus nach Würzburg zu eilen. Immerhin hatte sie ja eben deshalb noch letzte Nacht die Geschichte
Vom Felsen, der ein Fenster war
gelesen – damit sie ihren Geist aus ihrem Körper lösen und sich auf diese Weise vergewissern könnte, dass mit Amos alles in Ordnung war. Doch nun kam ihr dieser Plan allzu wagemutig vor. Sie konnte ihren reg- und wehrlosen Körper nicht einfach so in der Kutsche zurücklassen. Auch wenn die Nonnen behauptet hatten, dass die Bücherjäger sie auf gar keinen Fall erwischen würden – sie sah doch selbst, dass Mutter Maria und Schwester Magdalena die Straße unentwegt im Auge behielten. Offenbar waren ihre Verfolger ihnen schon wieder dicht auf den Fersen – also musste sie im rechten Moment hellwach und fluchtbereit sein.
Klara konnte es kaum mehr erwarten, Amos wiederzusehen, seine Arme um sich zu spüren, seine Lippen auf ihrem Mund. Ich eile zu dir, mein Auserwählter, dachte sie. Mittlerweile hatten sie beide sogar schon die dritte Stufe bewältigt, und keine Novizenregel auf der ganzen Welt konnte sie nun noch daran hindern, ihre Herzensdinge in die eigenen Hände zu nehmen.
Klara lächelte vor sich hin. Doch ein Teil ihrer Gedanken kreiste weiterhin um Mutter Maria. Sie war mit ihrer eigenen Mutter befreundet gewesen, und Klara spürte ganz deutlich, dass die ältere Frau es gut und ehrlich mit ihr meinte. Aber auf dieFrage, ob sie und die anderen Nonnen auf der Seite von Mutter Sophia stünden – da war Mutter Maria ihr vorhin ausgewichen.
Doch auf wessen Seite sollten sie sonst stehen? Sie hatten alles darangesetzt, damit Mutter Sophia noch einmal mit ihr, Klara, sprechen konnte – also gehörten sie doch wohl gleichfalls zu den »Dichtern« innerhalb des Opus Spiritus. Aber nein, dachte Klara dann wieder – da stimmte doch irgendetwas ganz und gar nicht!
Sie rieb sich die Augen und setzte sich so aufrecht wie nur möglich hin. »Mutter Maria«, begann sie und sah die ältere Nonne aufmerksam an. »Mutter Sophia hat mir vorgestern so Einiges über Eure Bruderschaft erzählt. Über die unterschiedlichen Ansichten von ›Dichtern‹ und ›Priestern‹ – und sie hat mir auch gesagt, dass sie gewisse Dinge nicht gutheißen kann, die Abt Trithemius möglicherweise getan oder zu denen er andere Männer angestiftet hat.« Sie musste schlucken. Ihre Kehle fühlte sich mit einem Mal strohtrocken an.
Mutter Maria sah mit einem abwesenden Lächeln vor sich hin, so als hätte sie Mühe zu begreifen, wovon Klara überhaupt redete. Aber Klara spürte, dass die Nonne und ihre drei Mitschwestern ihr aufmerksam zuhörten.
»Mutter Sophia hat mir außerdem anvertraut«, fuhr sie fort, »dass sie auch mit den weiteren Plänen der ›Priester‹ nicht einverstanden war. Wie diese Pläne im Einzelnen aussehen, wusste sie allerdings nicht – aber Kronus und sie selbst wollten ja einfach, dass
Das Buch
gedruckt und im ganzen Land verbreitet werden soll. Abt Trithemius aber scheint andere Pläne zu haben – warum will er unbedingt, dass Amos und ich mit dem Buch zu ihm kommen? Was hat er vor damit – und mit uns?«
Alle vier Nonnen schauten sie jetzt auf dieselbe Weise an – mit einem zerstreuten Lächeln, so als ob sie nicht recht begreifen könnten, worüber sich Klara ereiferte. Doch bei alledem wirkten die Frauen keineswegs sonderlich beunruhigt.
»Warum antwortet Ihr mir nicht, Mutter Maria?«, fuhr Klara fort. »Und auf welcher Seite steht Ihr nun eigentlich? Zuerstdachte ich ja, dass Ihr zu den ›Dichtern‹ gehören müsstet – warum sonst hättet Ihr Mutter Sophia die Gelegenheit verschafft, mit mir zu sprechen? Jetzt aber bringt Ihr mich nach Würzburg, zu dem Mann, der nach Mutter Sophias Worten zu den mächtigsten ›Priestern‹ innerhalb Eures Bundes gehört – wie passt das zusammen? Bei allen guten Geistern, jetzt hört doch auf, mich derart anzulächeln, und beantwortet meine Fragen!«
Mutter Maria wechselte abermals rasche Blicke mit ihren Mitschwestern. Sie hörte nicht auf zu lächeln, aber zumindest bekam sie nun auch ihren Mund wieder auf.
»Mutter Sophia gehörte ja nur dem
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