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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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äußeren Kreis unseres Bundes an«, sagte sie in einem Tonfall nachsichtigen Tadels. »Und entsprechend kannte sie auch nur die Wahrheit zweiten Grades, die für diese Stufe bestimmt ist. Für sie sah es wohl wirklich so aus, als ob es zwischen der ›dichterischen‹ Wirkung des Buches und den ›priesterlichen‹ Plänen der Ordensoberen irgendwelche geheimnisvollen Unterschiede gäbe. Aber glaub mir, meine Liebe, das trifft ganz und gar nicht zu. Der scheinbare Widerspruch ist nur die Umhüllung einer tieferen Wahrheit.«
    Klara spürte, wie es in ihr zornig zu brodeln begann. Aber sie zwang sich, weiter kühles Blut zu bewahren. »Und wie sieht die also aus«, fragte sie, »diese tiefere Wahrheit, die nicht für Mutter Sophias Augen bestimmt war?«
    Die ältere Nonne lächelte noch immer ihr halb zerstreutes, halb begriffsstutziges Lächeln. »Die Antwort auf diese Frage, meine Liebe, weißt du doch seit Langem selbst. So wie auch Amos längst die Lösung kennt oder wenigstens ahnt.«
    Gerade in diesem Augenblick stieß der Kutscher vorn auf seinem Bock einen dumpfen Ruf aus. Es klang wie »Sie kommen!«. Klara drehte sich um und schaute auf die schmale Straße hinaus, die sich mit wilden Krümmungen am Fuß der Weinberge dahinwand. In weiter Ferne erblickte sie eine lang gestreckte Staubwolke, die unwirklich rasch näher kam.
    »Die Jagd geht weiter«, sagte Mutter Maria und ihr Lächeln wirkte nun doch ein wenig alarmiert. »Aber sorge dich nicht, Klara, wir haben alles bedacht.«
    Vielleicht lag es an diesen hochmütigen Trostworten, oder vielleicht war es die unablässige Anspannung, die Klara in diesem Augenblick zu viel wurde – jedenfalls kochte in ihr der Zorn plötzlich über. »Wenn Ihr in Eurer Geheimgesellschaft alles bedacht habt«, rief sie aus, »dann hattet Ihr wohl auch Kronus’ Tod von vornherein eingeplant? Und wie war das mit meinen und mit Amos’ Eltern – dass die sterben mussten, hat für Euch wohl auch keine große Rolle gespielt? Schließlich haben ja alle diese Leute sowieso nicht zu Eurem inneren Kreis gehört!«
    Mutter Maria schüttelte den Kopf. »Niemand von uns wollte jemals, dass irgendwer zu Schaden kommt – geschweige denn zu Tode.« Sie lächelte noch immer, doch jetzt war es ein bekümmertes Lächeln. »Begreife doch, meine Liebe, dass alles nur zu deinem und Amos’ Bestem geschehen ist. Und begreife vor allem, dass ›Dichter‹ und ›Priester‹ zwei Seiten derselben Wahrheit verkörpern. Bald schon wird
Das Buch der Geister
in der ganzen Welt verbreitet werden, wie Kronus und Mutter Sophia sich das gewünscht haben – und bei seinen gewöhnlichen Lesern wird es genau die heilsamen Gaben erwecken, die der große Valentin Kronus vorgesehen hat.«
    Sie unterbrach sich und starrte neuerlich durch das Rückfenster nach draußen. Auch Klara wandte sich abermals um und erschrak – die Staubwolke war allenfalls noch zwei, drei Meilen hinter ihnen zurück. Wenn Klara die Augen zusammenkniff, konnte sie die Umrisse galoppierender Reiter und einer Kutsche erahnen, die in rasender Fahrt von riesenhaften Rössern vorangerissen wurde.
    Mutter Maria drehte sich auf ihrer Bank herum und machte dem Kutscher ein Zeichen. Der nickte ihr zu und trieb nun auch seine Pferde mit schrillen Schreien zum Galopp an. Klara und dieNonnen mussten sich an ihren Sitzen festklammern, um nicht in der Kabine umhergeschleudert zu werden.
    »Eine Frage noch, Mutter Maria«, sagte Klara mit erhobener Stimme. »Ihr glaubt also, dass Amos und ich keine gewöhnlichen Leser sind, bei denen
Das Buch
nur die von Kronus vorgesehenen Gaben erweckt – aber was bringt Euch auf diese Idee?«
    »Ihr kennt die Antwort längst!« Die ältere Nonne schrie es gegen das Rumpeln und Rattern der dahinrasenden Kutsche an. »In Amos und dir weckt
Das Buch
stärkere Kräfte – und ihr wisst auch ganz genau, warum! So wie ihr längst wisst oder jedenfalls ahnt, dass diese Gaben in euren Händen tausendmal mächtiger sind, als sie es bei jedem anderen jemals sein könnten!«
    Entgeistert sah Klara die angebliche Äbtissin an. Tausendmal mächtiger als bei jedem anderen – was hatte das nur zu bedeuten? Nebelhaft begannen sich verschiedenerlei Bruchstücke vor ihrem geistigen Auge zusammenzufügen – der Heilige Hain im Fichtelgebirge, die heidnischen Stätten in finsterster Vorzeit, zu denen Faust damals in der Bamberger Bischofsburg Amos in magischem Flug gesandt hatte. An jedem dieser Orte waren ein Mann und eine Frau,

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