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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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zurück, denn seine Widersacher waren übermächtig. Und solange er nicht den Vater befreit, die Feinde vertrieben hätte, würde für ihn auch kein Weg mehr zu Lucinda führen.
    »Ich bin verloren«, so wehklagte Laurentius Answer, »ich habe versagt, in allem ganz und gar versagt! Den Vater habe ich enttäuscht, meine Geliebte nicht minder – ich bin es nicht wert, das Erbschwert der Edlen von Answer auch nur noch einen Atemzug länger zu tragen!«
    Er sprang auf und wollte das Schwert aus der Scheide reißen – um es in den Fluss zu werfen oder sich selbst hineinzustürzen, das machte für ihn in seinem Jammer kaum mehr einen Unterschied. Doch er hatte seine Schwerthand noch nicht ganz um den Knauf geschlossen, als er vom Fluss her ein vertrautes Gurgeln vernahm:
    »Eile herbei, der Fährmann naht.«
    Laurenz ließ den Schwertgriff los und schaute verwundert um sich. Er musste Stunden um Stunden hier gesessen und sein Schicksal beklagt haben. Der Tag neigte sich schon wieder und in einiger Ferne erklangen bereits die Rufe der Nachtjäger – Wölfe, Eulen, Käuze.
    »Wenn sich der Schuss erst gelöst hat, holt niemand die Kugel zurück«, gurgelte es vom Fluss her. »Fahr stromaufwärts, Laurenz – dorthin, wo die Waffe noch schweigt.«
    Gegen seinen Willen fühlte Laurenz, wie in ihm die Neugier erwachte. Er ging die paar Schritte zum Fluss hinüber, kauerte sich ans Ufer und schaute sich suchend um.
    »Hier unten sind wir«, gurgelte es ihm entgegen. Und wahrhaftig – im Uferschilf wimmelte es vor Crutsmaren. Einige ließen ihre Beinchen ins Wasser baumeln, andere lagen lang hingestreckt auf Schilfblättern, als ob sie ein Sonnenbad nehmen wollten.
    »Was redet ihr da von Waffe und Kugel?«, sagte er. »Das ist doch wieder nur dunkles Geschwätz, mit dem ihr mich halb trösten, halb verspotten wollt.«
    »Sieh doch – der Fährmann!«, riefen die Crutsmare aus. »Da draußen im Fluss – mach nur die Augen auf!«
    Laurentius Answer schaute verwundert vom Gewimmel der Winzlinge hinaus aufs Wasser und wieder zurück. »Ich sehe nur Wellen und Gischt«, gestand er schließlich. Sein Erstaunen wich wilder Wut – diese grünen Gnome machten sich doch wieder lustig über ihn!
    Eben wollte er den nächstbesten Crutsmar beim Schlickschopf packen, da nahm er in den Augenwinkeln etwas höchst Sonderbares wahr. Einen Schatten von gewaltigen Ausmaßen, der mitten im Fluss aus schlammtrüber Tiefe emporstieg und gleich darauf aus dem Wasserspiegel hervorbrach – ein klobiges Gefährt, weniger Fähre als Floß, mit Tang und Schlick überzogen. Eigentlich bestand es nur aus ein paar Baumstämmen, die nebeneinander in den Fluten schwankten und rings herum mit zwei Fuß hohen Planken versehen worden waren – wohl damit unterwegs niemand von Bord gespült wurde. Denn der Fluss strömte gerade hier besonders reißend voran, und der Fährmann hatte seine liebe Mühe, das Floß mit seinem wuchtigen Stab zum Ufer zu lenken.
    Mit einer Stimme wie Sturmflut brüllte der Flößer, noch während er dem Ufer entgegenstakte: »Stromaufwärts, Rittersmann?«
    Laurentius nickte ihm zaghaft zu.
    Der Flößer war ein hünenhafter Mann mit muskelstarrenden Armen. In Rinnsalen lief ihm das Flusswasser aus Bartund Haaren, die ihm als eine einzige zottige Masse über Brust und Schultern wallten bis hinab zu seinen Knien. Von seinem Gesicht waren eigentlich nur die Augen zu sehen, deren trüber Blick Laurenz wenig vertrauenswürdig schien. Sein Mund und sogar die Nase waren dagegen vom Dickicht des Bartes fast vollständig überwuchert. Nur die beiden Fontänen, die er bei jedem Ausatmen aus dem umgebenden Bartgestrüpp schnaubte, ließen erkennen, wo sich seine Nasenlöcher ungefähr befinden mussten.
    »Wie viele Meilen, junger Herr?«, donnerte der Fährmann. Auch sein auf- und zuschnappender Mund war erschreckend anzusehen – ein Abgrund mit einem fahlen Zungenwurm darin.
    Laurentius hob die Schultern. »Bis dorthin, wo unsere Feinde machtlos sind. Wo mein Vater auf Burg Answer herrscht und lebt – und nicht in seinem eigenen Kerker darben muss. Kennst du einen solchen Ort, an dem alles heil und hell ist, was hier bei uns zerstört und verfinstert ist? Dann, Fährmann, bring mich dorthin.«
    Der Flößer schüttelte das mächtige Haupt und die Tropfen stoben ihm nur so aus Bart und Haaren. »Alles heil und hell – so weit stromaufwärts kann auch ich nicht fahren. Über mehr als siebzig Meilen mich gegen den Lauf zu stemmen – das

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