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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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entladen würde. Blitze zuckten durch die Finsternis, und Amos versuchte vergeblich, herauszufinden, woher diese Lichterscheinungen eigentlich kamen. Etwa von Geistern, die sich hier im Dunkeln zu schaffen machten?
    Am liebsten wäre er wieder nach draußen geschwebt, in die helle Mittagssonne. Aber Klara hielt seine Hand umklammert und zog ihn mit sich, zu dem rechten Steinsockel, vor dem das junge Brautpaar soeben auf die Knie gefallen war. Rasch schaute er noch einmal nach links: Die Gestalt dort auf dem Sockel musste der männliche Priester sein, und vor ihm lag ein einzelner Gläubiger oder Bittsteller auf den Knien. Einige Schritte abseits kauerten weitere Gestalten am Boden – das waren höchstwahrscheinlich die Träger, die die Gaben für Priester und Geister herbeigeschleppt hatten.
    »Was wollt ihr?«, fragte Klaras ebenbildliche Ahnin gerade in dem Moment, als Amos und Klara bei ihrem Sockel ankamen. Sie sprach mit einer hohen, kreischenden Stimme, bei deren spitzem Klang die Brautleute zusammenfuhren.
    »Wir wünschen uns Kinder, Herrin.« Die junge Braut legte ihre Hände aufeinander und reckte sie zur Priesterin empor, ohne den Kopf zu heben. »Bisher wurde unser Wunsch nicht erfüllt – deshalb kommen wir zu Euch: damit Ihr für uns den Beistand der Geister erfleht.«
    Die Priesterin griff in eine Schale, die neben ihr auf dem Sockel stand, und warf eine Handvoll von irgendeinem Pulver in den glühenden Spalt hinab. Blitze zuckten auf, dann züngelten Flammen fast bis zu den Knienden empor, und in der Tiefe erklang ein Grollen und Poltern, als ob dort eiserne Kugeln umhergerollt würden.
    Im zuckenden Flammenschein war die Priesterin nun klar und deutlich zu sehen. Sie saß mit verschränkten Beinen auf demSockel, in ein höchst sonderbares Gewand gehüllt – ein Flickwerk aus Luchs- und Katzenfell, aus Eulen- und Krähengefieder. Trotz ihrer wunderlichen Vermummung sah sie Klara so ähnlich, wie das bei zwei verschiedenen Menschen überhaupt möglich war. Sie konnte höchstens fünf Jahre älter als Klara sein, ihre Augen waren genauso leuchtend grün und ihre Haut ebenso blass. Auch ihre Haare hatten den gleichen goldenen Farbton – nur dass die Priesterin sie zu vielerlei Zöpfen geflochten trug, die sich wie Schlangen auf ihrem Kopf ringelten.
    Nun öffnete die Priesterin neuerlich ihren Mund und Klara und Amos schraken furchtbar zusammen. »Was bringt ihr?«, fragte sie – und diesmal klang ihre Stimme heiser und fauchend, wie bei einem Luchs oder einer zornigen großen Katze.
    »Wir sind arme Leute, Herrin«, antwortete der Bräutigam. »Wir bringen alles mit, was wir entbehren können – Brot und gepökeltes Fleisch.«
    Die Priesterin deutete nach links. »Legt es dorthin.« Nun klang ihre Stimme dünn und honigweich, so als ob in ihr auch noch ein allenfalls zwölfjähriges Mädchen hauste.
    »Wie Ihr befehlt.« Der Bräutigam kroch auf allen vieren zu der angewiesenen Stelle. Rasch leerte er seine Rückentrage aus und kehrte neben seine Braut zurück, die mit gesenktem Kopf vor dem Sockel knien geblieben war.
    Amos schaute Klara erschrocken an. Was hat das zu bedeuten? , flüsterte er mit seiner leisesten Gedankenstimme. Sie sieht aus wie du, aber ihre Stimme …
    Die Geister sprechen aus ihr. Auch Klara stand das Unbehagen mittlerweile ins Gesicht geschrieben. Das hier gefällt mir nicht , fuhr sie wispernd fort. Wie sie die Leute behandeln – und dass sie so gar nicht sie selbst ist bei diesem Geisterdienst.
    Währenddessen hatte die Priesterin begonnen, unverständliche Beschwörungen zu fauchen und zu kreischen. Wieder und wieder warf sie Hände voll von jenem Staub oder Pulver in den Bodenspalt neben ihrem Sockel, und jedes Mal gleißtenBlitze empor, loderten die Flammen auf und Donner erschallte.
    Schließlich schloss sie die Augen und ihre Finger flogen scheinbar ziellos über dem Sockel hin und her. Vor ihr lagen vielerlei Steine in unterschiedlichen Formen und Größen, scheinbar bunt durcheinandergestreut. Manche waren rund und groß wie Kieselsteine, andere klein und flach wie Kupfermünzen. Wahrscheinlich waren sie mit Schriftzeichen bedeckt, aber das konnte Amos im zuckenden Lichtschein nicht so genau erkennen. Und dann plötzlich stießen ihre Hände wie zwei Raubvögel herab und rafften etliche Steine zusammen. Amos hörte, wie die Steine in ihren Händen wie beinerne Würfel gegeneinanderklackten.
    »Schließt eure Augen und richtet euch auf«, befahl sie mit

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