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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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durch magische Beschriftung gestärkt oder geschützt werden sollten: Schilde und Sensen, Messer und Pflüge, Gürtelschnallen oder auch Holzbalken, die vielleicht als Türschwellen dienen sollten.
    Vor dem Tempel standen Wächter mit braunen Gewändern und spitzen, breitkrempigen Hüten. Mit leiser Stimme erteilten sie den Neuankömmlingen anscheinend Anweisungen. Was genau sie sagten, hatten Amos und Klara bisher nicht verstehen können – sie sahen lediglich, dass die Besucher demütig ihre Köpfe senkten, ehe sie über die Schwelle traten.
    Der Tempel war ein wuchtiger Quaderbau, dessen Eingangstür im Verhältnis viel zu klein wirkte. Wie zum Ausgleich waren die beiden Fensterlöcher, die links und rechts über dem Portal angebracht waren, übermäßig groß. So sah die felsgraue Fassade aus wie das Antlitz eines Riesen, der drohend auf die Menge herunterschaute und dabei seinen Mund missmutig zusammenzog.
    Quer über den beiden Fenstern, also gleichsam in die Stirn dieses steinernen Riesen, waren die drei Schriftzeichen eingemeißelt, die ihnen Trithemius vorhin beschrieben hatte: die zum Winkel gespreizten Finger, der erhobene Schild und die Raubvogelkralle – jedes Zeichen wenigstens acht Fuß hoch und kohlschwarz ausgemalt.
    Die drei Zeichen zogen Amos’ Blick unwiderstehlich auf sich. Sie waren so kunstvoll ineinandergewunden, dass sie wie ein einziges schnörkelreiches Zeichen aussahen. Doch wann immer er die Inschrift anschaute, stieg eine ängstliche Unruhe in ihm auf, die er sich überhaupt nicht erklären konnte.
    Es sind die Zeichen aus der zweiten Geschichte , sagte Klara.
    Verwundert schaute Amos zur Tempelfassade und rasch wieder zu Klara. Ja, das stimmt, sagte er, wie seltsam, dass mir das nicht auch gleich aufgefallen ist! Und noch viel sonderbarer, fügte er still für sich hinzu, dass diese magischen Schriftzeichen ihn derart beunruhigten. Als er die Geschichte
Von der Frau, die im Brunnen wohnte
gelesen hatten, waren sie ihm überhaupt nicht Furcht einflößend vorgekommen.
    Mindestens genauso alarmierend waren indessen die Geräusche, die aus dem Innern des Tempels drangen. Ein Fauchen und Prasseln wie von Feuer, dann wieder ein Donnern und Poltern, als ob da drinnen ein Gewitter tobte. Dazu passten die Blitze und lodernd roten Flammen, die in ungewissen Abständen hinter Tür- und Fensterlöchern aufzuckten und gleich wieder erloschen.
    Ansonsten schien es im Innern des Tempels stockfinster zu sein.
    »Geht hinein«, hatte der Abt noch gesagt, »und schaut euren ebenbildlichen Ahnen ein wenig zu. Dann aber bittet sie, euch auf den Weg zu euren letzten ebenbildlichen Ahnen zu bringen – am Vortag der Zerstörung von Rogár.«
    Hand in Hand schwebten Amos und Klara näher an den Tempel heran. Auf einer Bahre wurde gerade eben ein Mann hineingetragen, der offenbar an beiden Beinen gelähmt war. Ein halbes Dutzend jüngerer Männer folgten dem Kranken und seinen beiden Trägern. Sie schleppten Körbe voller Gaben für die Geister und Priester – Tuch- und Teppichrollen, kostbare Gewänder und funkelndes Geschmeide. Der Gelähmte schien ein überaus wohlhabender Mann zu sein.
    Amos schaute Klara fragend an. Was hältst du von dem ganzen Treiben hier?
    Bestimmt kommt es dir viel fremder vor als mir. Sie lächelte ihm zu. Was da drinnen im Tempel vorgeht, weiß ich zwar auch nicht so genau – aber das bunte Durcheinander hier draußen erinnert mich an die Versammlungen fahrender Leute, bei denen ich früher oft mit meinen Eltern war. Schausteller und Puppenspieler, reisende Magier und Prediger, Heilweiber und Quacksalber – alles Volk, das nicht sesshaft werden wollte, traf sich meist zur Sonnenwende an Orten wie diesem hier, um zusammen zu singen und zu schwatzen.
    An Orten wie diesem hier?, wiederholte Amos, während er den Tempeleingang im Auge behielt. Aber ihr habt bei diesen Treffen doch keine heidnischen Götter und Geister angebetet, oder?
    Das hielt jeder, wie er es wollte. Sie zuckte mit den Schultern. Was beunruhigt dich auf einmal so, mein Auserwählter?
    Zuerst wollte Amos abstreiten, dass er sich überhaupt beunruhigt fühlte – er verstand ja selbst nicht, was ihm an diesem Ort so missfiel. Ich weiß auch nicht , sagte er dann aber nur, irgendetwas ist hier anders, als ich es mir vorgestellt hatte .
    Klara kräuselte ihre Geisterstirn. Du hast doch hoffentlich nicht herausgefunden, dass unsere ebenbildlichen Ahnen in Wirklichkeit gar keine mächtigen Magier sind?
    Sie nahm

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