OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
loszuprusten. Du bist eifersüchtig, Amos, gib’s nur zu!
Anstelle einer Antwort fing er aufs Neue an, mit seiner Fußspitze im Staub herumzuscharren. Kann schon sein , räumte er schließlich ein. Aber darum geht es jetzt doch gar nicht – wir müssen weg von hier und zwar möglichst schnell . Er sah Klara eindringlich an und fuhr dann auf gewöhnliche Weise fort: »Wir müssen unbedingt diese Leute finden, Klara. Und meinetwegen machen wir es so, wie du es eben vorgeschlagen hast: Ich klettere allein den Abhang hinunter und folge ihrer Fährte. Und wenn ich sie gefunden habe und mit ihnen einig geworden bin, sage ich dir auf dem Gedankenweg Bescheid, wohin du – wohin ihr beide«, korrigierte er sich, »kommen sollt.«
Unschlüssig schauten Amos und Klara einander an. Gab es wirklich keine andere Möglichkeit? Es gefiel Amos überhaupt nicht, dass er und Klara sich schon wieder trennen sollten – nachdem sie einander gerade erst wiedergefunden hatten.
Johannes riss sie aus allen Grübeleien. »Hört ihr nicht?«, rief er mit gedämpfter Stimme aus. »Da kommen Reiter!« Er deutete die Straße hinab – die Richtung, in die Klara und er eigentlich reiten wollten.
Angestrengt lauschte Amos. Der andere Junge musste außerordentlich gute Ohren haben – auch wenn er sich darauf konzentrierte, konnte er selbst nur ein ganz schwaches Trappeln wie von Hufen hören. Doch mit jedem Augenblick und jedem Atemzug klang es klarer und bedrohlicher zu ihnen herauf. »Es muss eine ganze Schar sein«, sagte er, »ein halbes Dutzend oder mehr.«
Sie alle drei wechselten nun besorgte Blicke. Niemand sprach es aus, doch es war klar, dass jeder von ihnen sich das Gleiche fragte: Diese Reiter, die in scharfem Trab die Straße heraufgerittenkamen – konnten das schon die Purpurkrieger sein? Ausgeschickt von Inquisitor Cellari, weil die beiden Soldaten des Fürstbischofs auf sich warten ließen? Eigentlich war das nicht sehr wahrscheinlich, überlegte Amos – vor heute Nachmittag konnte Cellari seinen Gefangenen gar nicht in Nürnberg erwarten. Aber vielleicht hatte er beschlossen, ihnen einen eigenen Geleittrupp entgegenzusenden.
Wie auch immer, dachte er, sie mussten sofort von hier verschwinden. »Wir müssen von der Straße runter«, sagte er und deutete erneut den steilen Abhang hinab. »Alle drei – und die Tiere auch.«
2
W
ie ein riesengrosses
, spiegelverkehrtes S, so wand sich die Straße durch den Wald hinunter ins Tal. Während Amos, Klara und Johannes mit ihren beiden Reittieren durch die obere Hälfte dieses lang gezogenen S abwärtskletterten, mühten sich die Reiter noch die untere Hälfte hinauf.
Mittlerweile war das Trappeln der Hufe zu einem leisen Grollen angeschwollen, das stetig lauter wurde. Ab und an wehten überdies Schallfetzen wie von kräftigen Männerstimmen zu ihnen herauf – Zurufe, Gelächter, doch zu verstehen war nichts.
Purpurkrieger?
So schnell er irgend konnte, eilte Amos ihrem eigenen kleinen Trupp voraus. Er schlidderte auf glitschigen Moosflächen abwärts, fand Halt auf Steinbrocken und an dem Geäst der zähen kleinen Büsche, deren Blätter hart und scharfkantig waren. Die Fährte der fliehenden Horde hätte selbst ein halb blinder Maulwurf kaum übersehen können – zerknickte Buschzweige, zertretene Erdbrocken und sogar Fußabdrücke im Moos. Ungefähr alle zehn Schritte drehte sich Amos um, mit dem Rücken an einen der Baumriesen gedrückt, die scheinbar direkt aus dem Felsbodenemporgewachsen waren. In einiger Entfernung kamen ihm Klara und Johannes hinterher – Klara auf der Füchsin vorneweg, das Maultier mit Johannes einen halben Schritt zurück. Unentwegt summte Klara besänftigende Töne, mal in das zuckende Ohr der Stute, dann wieder, im Sattel nach links hin zurückgebogen, in Richtung des Mulis. Beide Tiere rollten mit den Augen, schnaubten und röchelten – offenbar ängstigten sie sich fast zu Tode auf diesem furchtbar steilen Abhang, der ihnen nirgendwo sicheren Halt bot.
Alles kam jetzt darauf an, dass Klara ihr Pferd und Johannes’ Maultier nicht nur unbeschadet die Schroffe hinunterlenkte – überdies musste sie verhindern, dass die Tiere sie durch lautes Wiehern verrieten. Es mussten mindestens sechs Reiter sein, die unter ihnen auf der Straße aufwärtsritten. Der Hufschlag ihrer Pferde dröhnte mittlerweile wie Donner zu Amos und seinen Gefährten hinauf – in diese Schallwolke eingehüllt, würden die Reiter sie bestimmt nicht hören, solange sie nur
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