OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
– nein, er schien wirklich wie von einem bösen Bann erlöst.
Noch bevor sie von der Jagdhütte aufgebrochen waren, hatte Amos in sich hineingespäht – und staunend gesehen, wie sehr Johannes auch innerlich verwandelt war. Sein magisches Herz hatte sich geöffnet, sein inneres Gestirn war aufgegangen – ein rotgolden funkelnder und pulsierender Punkt, von dem ein schimmerndes Lichtband ausging. Es wirkte nicht so kraftvoll und leuchtete bei Weitem nicht so hell wie der breite Lichtstrom, der Amos’ magisches Herz mit Klara verknüpfte. Aber es war tausendmal kräftiger als das blässliche, krampfhaft erzitternde Lichtrinnsal, das bisher von Johannes’ innerem Stern ausgegangen war.
»Es war alles nur meine Schuld«, hatte Johannes ein ums andere Mal beteuert, »ich hatte meine Einbildungskraft und alle Gefühle wie gefährliche Feinde in meinem tiefsten Innern eingekerkert – noch vor ein paar Jahren war es ja mein größter Wunsch, selber ein Künstler zu werden und mit meinen fantastischen Geschichten die Welt das Staunen zu lehren. Aber als ich dann erkennen musste, dass aus diesen Träumen nichts werden konnte – da hat sich mein Herz verhärtet und ich habe angefangen, all daszu hassen und zu fürchten und wie den gefährlichsten Gegner zu bekämpfen, was mir vorher das Liebste und Kostbarste auf der Welt war.«
So hatte Johannes voller Begeisterung auf sie eingeredet, und nur mit Mühe war es ihnen gelungen, seinen Wortschwall einzudämmen. »Still jetzt«, hatte Amos ihn schließlich angefahren. »Halte um Himmels willen deinen Mund, Johannes – zumindest bis wir bei der Straße sind und sicher sein können, dass da unten niemand auf der Lauer liegt.«
Weder die wilde Horde – falls Klara doch recht hatte und es bloß gewöhnliche Wegelagerer waren. Noch die Purpurkrieger und die gepanzerten Bücherjäger – falls Johannes sich doch nur verstellt hatte und trotz aller Beteuerungen noch immer auf der Seite des Inquisitors Cellari und des Unterzensors Skythis war.
Aber Amos glaubte weder an diese noch an jene Möglichkeit und zumindest fürs Erste schien er recht zu behalten: Die Straße lag gänzlich verlassen im Morgenlicht. Und auch im Dickicht auf der anderen Wegseite, wo sich der Wald in steilem Gefälle unabsehbar weiter dahinzog, rührte sich nicht der matteste Windhauch. Geschweige denn eine Meute Säbel und Mistgabeln schwingender wilder Leute oder ein halbes Dutzend Purpurkrieger, bewaffnet mit Armbrust und Schwert.
»Wo sind wir hier eigentlich?«, fragte Amos.
Klara grinste ihn an. »Erkennst du das nicht, mein Auserwählter?«
»Was gibt es da schon zu erkennen?«, protestierte er. »Ich sehe nichts als Wald, egal in welcher Richtung.« Außerdem war er ja im geschlossenen Wagen durchs Land gekarrt worden, unter der Plane und die meiste Zeit sogar mit einer Binde über den Augen. Aber das alles wusste Klara natürlich so gut wie er selbst – sie wollte ihn nur wieder mal wegen seiner angeblichen »Weltfremdheit« necken. Und es stimmte ja auch, dass sie sich auf den Straßen und Wegen zwischen Bamberg und Nürnberg viel besser auskannte als er. Schließlich waren ihre Eltern fahrende Leutegewesen und hatten so ziemlich jeden fränkischen Flecken und Weiler besucht.
Bis sie eines Tages vor mittlerweile vier Jahren umgebracht worden waren – von Mordbrennern, die höchstwahrscheinlich das Opus Spiritus ausgesandt hatte.
Das durften sie niemals vergessen, keinen einzigen Augenblick lang, ermahnte sich Amos: Allem Anschein nach verfolgten zumindest einige Mitglieder der Bruderschaft dunkle Ziele und schreckten selbst vor Blutvergießen nicht zurück – und außer bei Kronus und Mutter Sophia konnten sie bei keinem Ordensangehörigen sicher sein, welcher Seite er oder sie angehörte. Trotzdem blieb ihnen keine Wahl: Sie mussten der wilden Horde hinterher. Solange sie
Das Buch der Geister
bei sich hatten, würden der Inquisitor Cellari und der Bücherjäger Skythis sie unerbittlich verfolgen – und außerdem war
Das Buch
Kronus’ Lebenswerk und das kostbarste Schriftstück auf der ganzen Welt.
»Wir sind ein paar Meilen hinter Ebermannstadt«, erklärte ihm unterdessen Klara, »in den Fränkischen Alpen – so wird die Gegend hier wegen der steilen Berge auch genannt. Wenn wir diesem Weg weiter folgen, müssten wir gegen Abend Burg Gößweinstein erreichen – und die gehört, wenn ich mich nicht sehr täusche, dem Fürstbischof von Bamberg.«
Amos warf einen Blick nach
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