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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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der zweifellos ewige Höllenqualen verdient hatte. »Fürchtet euch nicht, meine Kinder«, hatte er damals zu Oda und Amos gesagt. »Denn wir sind gekommen, euch von dem Bösen zu erlösen.« Und in der Nacht darauf hatten seine Soldaten Oda umgebracht.
    Amos biss die Zähne zusammen. Er schrie nicht auf, er unterdrückte sogar das Schluchzen, das aus seiner Brust emporsteigen wollte. Sie mussten jeden Laut vermeiden, der den Hufschlag der beiden Reiter dort unten übertönen konnte. Bisher hatten sie sich noch in der Hoffnung wiegen können, dass die Purpurkrieger überhaupt nicht wegen ihnen auf dieser gottverlassenen Straße unterwegs wären, sondern in irgendeiner anderen Mission. Dashatte Amos auch vorher schon nicht geglaubt, doch der Anblick des zweiten Nachzüglers auf seinem schneeweißen Pferd raubte ihm die allerletzten Illusionen. Denn dieser Begleiter des päpstlichen Offiziers – mehr noch Jüngling als erwachsener Mann – war niemand anderes als Meinolf, der Gehilfe des Inquisitors Cellari. Derselbe weißblonde Dominikanermönch, der auf Burg Hohenstein durch den Saal voll verwundeter Männer gegangen war und einem nach dem anderen seinen Dolch ins Herz gestoßen hatte. Mit stiller Lust, mit einem inwendigen Glühen, das seine sonst so blassen Wangen mit flammend roten Flecken übersät hatte.
    Nicht daran denken. Amos biss die Zähne zusammen, dass es in seinen Ohren knackte. Mit seinem strahlenden Lächeln wandte der Offizier sich Meinolf zu und sagte irgendetwas, das ungefähr wie »machen wir bald« klang – oder auch »machen wir kalt«. Meinolf lachte hellauf, und während sein Gelächter langsam verhallte, ritten die beiden nach links aus dem Bild.
    Erst als sie endlich verschwunden waren, wandte sich Amos wieder um und schaute Klara an. Wir müssen weiter – aber ganz leise .
    Sein Blick fiel auf Johannes, und auch ohne seine magischen Kräfte zu bemühen, erkannte Amos, dass der andere Junge den jungen Dominikaner gleichfalls wiedererkannt hatte. Und dass auch er diesen Meinolf fürchtete – vielleicht mehr noch als alle Purpurkrieger, die mit ihm herbeigeritten waren. Zum ersten Mal empfand Amos so etwas wie einen inneren Gleichklang mit diesem knochendürren, halb verrückten Burschen: Johannes hatte mit dem Unterzensor Skythis gemeinsame Sache gemacht, aber das hieß noch lange nicht, dass er – wie Meinolf – Gefallen daran fand, andere Menschen zu töten.
    Die letzten zehn Schritte bis zur Straße hinunter brachten sie ohne Zwischenfälle hinter sich. Der Hufschlag ihrer Verfolger wurde mit jedem Schritt wieder leiser – jetzt mussten die Purpurkrieger und der junge Mönch schon ein ganzes Stück oberhalbvon ihnen sein, am Anfang der lang gezogenen Rechtskurve, die das spiegelverkehrte Straßen-S in seiner oberen Hälfte beschrieb.
    Erst wenn Meinolf und die Kirchenkrieger ganz oben auf dem Gipfel angekommen wären, würden sie erkennen, dass sie in die Irre gegangen waren. Aus den umgestürzten Bäumen und dem herrenlosen Wagen würden sie schließen, dass die Soldaten des Fürstbischofs überfallen worden waren und ihr Gefangener freigekommen war. Sie würden die Spuren entdecken, die von diesem Hinterhalt aus geradewegs den Abhang hinunterführten – unübersehbare Spuren, die gestern von der wilden Horde mitsamt den verschleppten Kutschpferden und Soldaten getrampelt und heute von ihnen dreien und ihren beiden Reittieren erneuert worden waren.
    Meinolf und der Offizier mit dem strahlenden Lächeln würden den Soldaten befehlen, die Verfolgung aufzunehmen – und die Purpurkrieger würden wie der Sturmwind den unwegsamen Abhang hinunterpreschen, Amos sah es schon mit qualvoller Klarheit vor sich. Aber bis es so weit wäre, würde noch mindestens eine Stunde vergehen – und bis dahin mussten sie selbst diesen Wald hinter sich gelassen haben und unauffindbar verschwunden sein.
    Zwischen der Böschung und der Straße plätscherte ein Bach dahin. Die Füchsin und das Muli tauchten ihre Mäuler in das Rinnsal, und Amos gönnte ihnen die Erfrischung, während er die Straße im Blick behielt und zugleich dem langsam verklingenden Hufschlag hinterherlauschte.
    Still und friedlich lag die Straße im Licht der Mittagssonne. Vögel sangen in den Bäumen und in der Luft war ein frischer Duft nach Fichtennadeln. In Momenten wie diesem kam Amos alles, was er in den letzten Wochen erlebt hatte, wie ein böser Traum vor. Aber es war grausige Wirklichkeit, aus der man nicht einfach wieder

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