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OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger

Titel: OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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das Zeichen bedeutete. Aber genauso offenkundig hatten sie bis zu diesem Augenblick nicht gewusst, wer sich in dem Wagen befand und aus welchem Grund sie die Kutsche überfallen und dann die Flucht ergreifen sollten, sobald im Wald oberhalb der Straße Schüsse krachten.
    »Wie heißt euer Anführer?«, fragte Amos.
    »Er nennt sich Bruder Egbert.« Der glatzköpfige Mann strich gedankenverloren über seinen Bart, der ihm fast bis zum Bauchnabel reichte. »Wir sind fromme Leute – alles, was wir früher einmal besessen hatten, haben wir aufgegeben. Seither leben wir in den Wäldern, um im Buch Gottes umherzuwandeln und seinen guten Geistern näher zu sein.«
    Amos warf Klara einen verstohlenen Blick zu. Im Buch Gottes umherwandeln? Dieser fromme Räuber – oder was er darstellen mochte – war anscheinend auch nicht ganz richtig im Kopf. »Dann führt uns jetzt zu Bruder Egbert«, sagte Amos. »Was ich ihm zu sagen habe, ist wirklich sehr wichtig.« Er überlegte kurz, ob er erwähnen sollte, dass ihnen die Purpurkrieger im Nacken säßen, ließ es dann aber lieber sein. Erst einmal müssten sie mit diesem Bruder Egbert sprechen und herausfinden, ob sie ihm wirklich trauen durften.
    Der jüngere Mann spuckte abermals aus – diesmal in seine Hände. »Dann weg mit dem Zeug«, sagte er und fing schon an, das aufgetürmte Gestrüpp auseinanderzuzerren. »He, Leander«, rief er unvermittelt, »willst du nicht mithelfen, du fauler Kerl?«
    Die Antwort bestand nur in einem dumpfen Stöhnen, doch auf der anderen Seite des Verhaus wurde nun gleichfalls an Wurzeln und Ästen gezogen. Im Nu war das ganze Gewirr aus dem Weg geräumt – Äste und Wurzelbrocken flogen ins Wasser, der Dornbusch selbst auf den Steilhang zurück, wo er sich im Dickicht verfing. Dahinter kam eine schlaksige Gestalt zum Vorschein, die Amos auf den ersten Blick wiedererkannte. Diesem Burschen war er schließlich schon zwei Mal begegnet – und beide Male unter wenig erfreulichen Umständen.
    Vor dem Stadttor von Pegnitz hatte der verdammte Kerl versucht, ihm den Brief zu klauen, den Amos im Auftrag von Kronus nach Nürnberg bringen sollte. Und gestern erst bei dem Überfall oben auf dem Berg war er im Gestänge des Wagens herumgeklettert, und als Amos ihm durch den Knebel hindurch etwas zuzurufen versuchte, hatte der dreiste Bursche nur aufgelacht.
    »Ihr wollt also keine Räuber sein?«, brach es aus Amos heraus. Er stürzte sich regelrecht auf den blonden Jungen, dessen Gesicht sich mehr vor Erstaunen als vor Schreck verzog. »Aber im Klauen bist du trotzdem ziemlich geübt, oder? Und wie ich da gestern gefesselt und geknebelt gelegen habe – das fandest du auch noch komisch, ja?« Er versetzte ihm einen Stoß gegen die Brust und derandere Junge taumelte zurück. »Unter frommen Leuten«, schrie Amos, »stelle ich mir jedenfalls etwas anderes vor – keine Idioten wie dich, die es auch noch lustig finden, wenn jemand einen Knebel im Mund hat und deshalb kein verständliches Wort herausbringen kann!«
    Der blonde Junge zog ein finsteres Gesicht. Er machte seinen Mund auf und ein dumpfes Gurgeln kam heraus. Im ersten Moment glaubte Amos, dass der Kerl jetzt auch noch nachäffte, wie er selbst durch seinen Knebel gestöhnt hatte – aber zugleich spürte er, dass sich der Junge diesmal nicht über ihn lustig machte. Sein Gewand war noch zerlumpter als die Hemden seiner erwachsenen Kumpane, und genauso wie damals in Pegnitz war er über und über mit Schlamm verschmiert – seine Hände, die Arme bis hinauf zu den Ellbogen und sogar sein Gesicht. Er sah aus, als ob er versucht hätte, sich mit Stirn und Nase voran in ein Schlammloch hineinzuwühlen.
    Der glatzköpfige Mann trat zwischen Amos und den anderen Jungen. »Hört auf, euch zu streiten, ihr Burschen«, sagte er. »Leander will dich nicht verspotten«, wandte er sich an Amos, »glaub mir, er kann wirklich nicht sprechen.« Er legte einen Arm um die schmalen Schultern des Jungen, der also Leander hieß. »Vor zwei Jahren sind ihm Vater und Mutter vor seinen Augen erschlagen worden – er selbst ist nur deshalb mit dem Leben davongekommen, weil er sich in einem Erdloch verkrochen hat. Da drinnen hat er dann tagelang ausgeharrt, und die Angst, die er damals ausstehen musste, hat ihm die Sprache verschlagen. Aber sein Verstand ist ganz in Ordnung – Leander kann fast so schnell schreiben und lesen wie Bruder Egbert, und das will schon was heißen. Egbert ist immerhin ein ehemaliger Mönch und

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