OPUS - Die Bücherjäger - Gößling, A: OPUS - Die Bücherjäger
verstehen war nichts mehr.
»Falls du das alles nicht einfach nur geträumt hast.« Amos sah ihn wuterfüllt an, doch Johannes schien seinen Blick gar nicht zu bemerken.
Lass es gut sein – zumindest für den Moment. Klara trat neben Amos und nahm seine Rechte zwischen ihre zierlichen Hände. Ich glaube, er hat wirklich alles gesagt, was er über Kronus weiß. Liebevoll lächelte sie ihn an. Außerdem müssen wir jetzt endlich weiter .
Du hast recht. Wie so oft . Amos erwiderte ihr Lächeln, doch sein Herz war schwer vor Angst um Kronus und in seinem Bauchbrodelte noch immer heißer Zorn. Lass uns weiterreiten. Auch wenn ich diesen verdammten Burschen am liebsten verprügeln würde, bis er keinen einzigen heilen Knochen mehr im Leib hat .
Ich verstehe deinen Zorn und deinen Schmerz . Aber sieh ihn nur an: Er ist ja selbst ganz zerknirscht, weil er sich zu solchen Missetaten hat verleiten lassen – und wahrscheinlich sind wir ihn bald schon wieder los .
Sie stieg in den Sattel und Amos schwang sich hinter ihr auf den Rücken der Füchsin. Auch Johannes kletterte wieder auf sein Reittier, das so lachhaft klein war, dass ihm die Füße fast am Boden schleiften.
»Wie meinst du das«, fragte Amos, »dass wir ihn bald wieder los sind?« Er legte seine Arme um Klaras Mitte und beugte sich nach vorn, sodass seine Lippen fast ihr linkes Ohr berührten. »Kannst du neuerdings auch in die Zukunft schauen, meine Auserwählte?«
»Das nicht«, gab Klara zurück, während sich die Füchsin auf dem glitschigen Uferpfad vorsichtig in Bewegung setzte. »Aber ich glaube, dass wir Johannes nach Nürnberg schicken sollten – nachsehen, wie es um Kronus und Mutter Sophia steht.«
Darüber musste Amos erst mal ein paar Augenblicke lang nachdenken. Er schaute über die Schulter nach hinten – Johannes war ein gutes Stück zurück und konnte bestimmt nicht hören, was sie gerade sprachen. Der Wildbach zu ihrer Linken toste und gurgelte, und Johannes redete beschwörend auf sein Maultier ein, das sich nur widerwillig voranbewegte.
»So sehr vertraust du ihm?«, fragte Amos.
»Wie sonst sollen wir herausfinden, was im Inquisitionskerker vorgeht?«, fragte Klara zurück. »Wir können ja nicht einfach warten, bis sich Mutter Sophia oder Kronus irgendwann wieder bei uns melden. Nein, uns bleibt gar keine Wahl – und ja, ich glaube, dass wir Johannes vertrauen können.«
Eine Weile ritten sie schweigend weiter den Uferpfad entlang. Amos dachte fieberhaft nach. Was Johannes vorhin über den»Holzkerl« oder das »Knochenmanderl« gesagt hatte, wollte ihm einfach nicht aus dem Kopf gehen. Oh ja, genau so ein gruseliges Ding hatte er in einer von Kronus’ Dachkammern gesehen – also war es auch möglich, dass in das Bündel, oder die Teppichrolle, nicht etwa Kronus selbst, sondern dieser »Holzkerl« eingewickelt war. Amos erinnerte sich auch ziemlich genau, wie das »Knochenmanderl« auf Kronus’ Dachboden ausgesehen hatte – vorn am Totenkopf war ein Blatt Papier oder ein Leinwandfetzen befestigt, mit einer Kohleskizze, die niemand anderen als Valentin Kronus darstellte.
Die Felswand auf der anderen Seite des Wildbachs wuchs immer höher und schroffer in den Himmel empor. Hier und da konnte Amos höhlenartige Löcher im Gestein ausmachen – dreißig Schritte oder mehr über dem Boden. Sogar ein geübter Kletterer wie er selbst hätte Mühe gehabt, zu einem solchen Unterschlupf aufzusteigen. Wenn man aber erst mal in einer solchen Höhle war, brauchte man keine Angreifer mehr zu fürchten.
Seine Gedanken schweiften zurück zu dem »Holzkerl«. Natürlich glaubte er nicht allen Ernstes, dass sich Kronus in dieses grässliche Ding verwandelt hätte – mit Geist und Seele irgendwie hineingeschlüpft wäre. Und genauso wenig mochte er glauben, dass Cellari in seinem Folterkeller nun den hohlen Baum mit seinen Marterzangen bearbeitete, um Kronus zu zwingen, wieder er selbst zu werden – aber was sonst hatte es mit diesem schauerlichen Zauberzeug auf sich?
Immerhin hatten Klara und er selbst erst vor Kurzem etwas sehr Ähnliches zu sehen bekommen: Durch die unwegsame Wildnis waren sie in Richtung Bamberg geflohen und dort hatten sie miterlebt, wie ein toter Mann nach uraltem heidnischem Brauch bestattet worden war – der Puppenspieler Karol, der allem Anschein nach gleichfalls zum Opus Spiritus gehört hatte. Karol hatte sie zum »heiligen Hain« mitgenommen, einer heidnischen Tempelstätte, die in Wahrheit schon vor einem
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