Oracoli (German Edition)
kommen Sie doch herein schöne Frau.« Cora folgte der Einladung und ging mit ihm ins Haus. Ariel führte Cora eine Treppe hinunter; er trug immer noch die Lupe in seinem rechten Auge, sie schien festgewachsen zu sein. Sie gingen durch den Kellerflur und betraten schließlich Ariels Heiligtum. In der Werkstatt standen etliche Schleifgeräte herum, neben ihnen lagen fertige sowie halbfertig geschliffene Edelsteine. Auf den Maschinen und Werkbänken befand sich eine dicke Staubschicht. Der Raum war durch eine Vielzahl von Neonröhren hell erleuchtet, Cora empfand ihn trotzdem als sehr behaglich. »Mach uns bitte Tee, Marietta«, rief Ariel durch die halboffene Tür. Er wusste, dass sich seine eifersüchtige Frau in Hörweite aufhielt. Ariel zog zwei Rollensessel aus einer Ecke und entfernte mit einem Handfeger den darauf liegenden Staub. Er musste dabei husten. »Bitte, gnädige Frau, nehmen Sie doch Platz.« Cora schmunzelte über den höflichen Ton, der bei den alten Ganoven - zumindest Frauen gegenüber - üblich zu sein schien. Dann musste sie an Ludwig denken, der nicht weniger höflich war. Cora begriff plötzlich ihr Glück, die Erpressung mit ausschließlich „ehrenwerten“ und gesitteten Ganoven planen und ausführen zu dürfen. Ludwig hätte ihr bestimmt nicht die Adressen von irgendwelchen Strolchen vermittelt. Sicher, da machte Cora sich nichts vor: Sie waren alle in ihrer Vergangenheit kriminell und zum Teil noch heute, doch diese Leute hatten Moral und haben sich diese bewahrt. Diese feste Moral und ihre Ganovenehre waren es wohl, die sie bis heute zusammenschweißte. Wie unehrenhaft musste ihnen eine Erpressung vorkommen. Nun begriff sie auch, was Ludwig empfunden haben musste, als er sich entschlossen hatte, ihr zu helfen. Niemand dieser Herren würde ihr dabei freiwillig helfen wollen. Alleine Ludwigs Name genügte. Lu, hieß der Schlüssel, der ihre Herzen öffnete und ihr, Cora, die nackte Solidarität zugutekommen ließ, allerdings galt diese eigentlich nur ihrem alten Weggefährten Ludwig. Cora, die im Besitz dieses Schlüssels war, schämte sich nun ihrer Selbstgefälligkeit. Das arrogante Gehabe, von wegen 50.000 Euro und so, wollte sie hier nicht mehr anbringen. Nicht die 50.000 Euro haben Schrauber mitmachen lassen. Lu, hieß das Zauberwort.
»Was haben Sie, gnädige Frau, was bedrückt Sie?« Dann sprudelte alles aus Cora heraus: Sie erzählte von ihren Schulden, ihrem Haus, von ihrem Mann und seiner Geliebten, von ihren Chefs und ihrer Schacherei um sie. Von ihrem Einbruch und dem Rezept. Von dem Finanzbeamten und seinem Immobilienhai. Dann ihr Verhältnis zu Ludwig, als ihren Untermieter und Freund. Über den Überfall der Gerber Brüder auf Schieber. Und schließlich ihre plötzlichen Bedenken wegen der unehrenhaften Erpressung. Ariel hörte sich alles interessiert an. Er dachte einen Moment nach, ehe er sprach: »Machen Sie sich keine Gedanken, Frau Lahn, Ehre hin - Ehre her, Sie und Ludwig stecken schon viel zu tief drin. Im Speziellen Ludwig. Glauben Sie, wenn Sie die Würzmischung zurück brächten, die Herren Gerber ließen von Ludwig ab? Ich glaube nicht, gnädige Frau.
Außerdem haben Sie auch nicht von Anfang an vor gehabt, Ihre ehrenwerten … hoha-haho hm, Entschuldigung, äh, Chefs zu erpressen. Nein, Sie müssen jetzt auch B sagen, nachdem Sie A gesagt haben … hm. Also zurück zum Geschäft, Schieber lag richtig damit, mich vorzuschlagen. Man nennt mich nicht umsonst Ariel, den Geldwäscher. Ich säubere Ihr Geld, finde Käufer für Gold oder Diamanten. Sie haben einen van Gogh? Kein Problem, ich besorge Ihnen den passenden Japaner dazu. Hahahahoho, hm, haben Sie schon eine Idee, was Sie mir anbieten werden?«
Marietta kam mit einem Tablett herein, auf ihm standen eine Kanne Tee und Tassen. Cora lächelte sie an. Sie erwiderte ihr Lächeln. Dann, nachdem sie das Tablett abgestellt hatte, schaute sie ihren Mann böse an, nahm ihm mit einem "Plop" die Lupe aus dem Auge und warf sie ihm in den Schoß. »Du machse dem Mädchen Angste mit Deine bekloppte Lachen«, schimpfte sie. Ohne Ariels Reaktion abzuwarten, verließ Marietta wieder die Werkstatt. »Wo bin ich stehen geblieben … ach ja, haben Sie schon eine Idee, was Sie den Brüdern abknöpfen wollen? – Geld, Gold, Aktien?« Darüber hatte sich Cora noch keine Gedanken gemacht. Sie überlegte. »Ne, eigentlich nicht, könnten Sie mir einen Vorschlag machen?«
»An welche Summe denken Sie
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