Oracoli (German Edition)
fiel ein Stein vom Herzen, der erste Schritt war getan. Sie schaute nach draußen, ein heftiges Gewitter entlud sich gerade. Sie fühlte sich nun viel stärker. Als Cora mit ihrer Nachspeise fertig war, kam Josef zurück. Er setzte sich, sah kurz in alle Richtungen und übergab Cora einen verschlossenen Briefumschlag. Dann stand er auf, gab ihr die Hand und machte eine leichte Verbeugung. »Mein Name ist Josef Kabachel, Sie können Josef zu mir sagen. Eigentlich heiße ich Jacques, aber mein Stiefvater ließ mich umtaufen … ich hab' mich daran gewöhnt. Sie müssen wissen, Madame, meine Mutter war mit mir auf der Flucht. Mein richtiger Vater war Bankräuber und wurde in Marseille auf der Flucht von einem Flic erschossen. Leider war bei seinem letzten Bankraub auch meine Mutter dabei. Sie wurde gesehen, und man hatte einen sehr gelungenen Steckbrief mit ihrem Gesicht veröffentlicht, wir mussten fliehen. So kamen wir ins Ruhrgebiet. In ihrer Not hat meine Mutter diesen Bergmann geheiratet … aber ich möchte Sie nicht mit meiner Geschichte belasten, Madame. Mon Dieu, wir haben alle unsere traurigen Geschichten, nicht wahr?« Nachdem auch Cora sich vorstellte, setzte er sich wieder hin. »Hier im Umschlag befinden sich die Adressen, Mademoiselle Lahn, bitte verbrennen Sie den Inhalt, wenn Sie die Leute zusammen haben.«
»Das mache ich, Jacques, vielen Dank für Ihr Vertrauen.« Sie steckte den Umschlag in die Handtasche und holte ihre Geldbörse heraus. Josef drückte Coras Hand sanft zurück. »Bitte, lassen Sie das. Sie sind heute mein Gast. – Darf ich Sie noch zu einer Tasse Kaffee und einen Cognac einladen?«
»Ja, sehr gerne«, sagte Cora, die sich immer mehr über den Wirt wunderte. Die Einladung kam Cora wie ein Aufnahmeritual vor. Ja, sie gehörte nun zu ihnen. Cora war jetzt eine Ganovin. Schrecklich. Nein, nicht nur schrecklich. Irgendwie auch schrecklich aufregend. Später, Cora war gerade im Begriff zu gehen, kam noch mal Josef und hielt ihr die Tür auf. Er lächelte sie an. »Ich weiß nicht, was Lu und Sie im Schilde führen, aber ich wünsche Ihnen viel Glück dabei … und beehren Sie mich bald wieder, Madame.«
Die Sonne schien wieder, als Cora ihr Auto vor einer hässlichen Betonburg parkte. Es war noch nicht zu heiß, sodass sie Joschie im Wagen zurücklassen konnte. Cora fand den Namen und drückte die Klingel mit der Aufschrift: Saturn. Nach einer Weile summte der Türöffner. Wie sie es vom Taxifahren her kannte, schien auch diese Gegensprechanlage nicht zu funktionieren. Cora fuhr mit dem Fahrstuhl in den achten Stock. Ein gut aussehender, unrasierter Mann öffnete die Wohnungstür. Magnus Saturn war 40 Jahre alt; er hatte noch einen Morgenmantel an und guckte mit verschlafenen Augen auf Cora.
»Ja bitte?«, sagte er müde. »Guten Tag, mein Name ist Lahn, ich äh … kann ich reinkommen? Ich muss geschäftlich mit Ihnen sprechen.«
»Falls Sie Vertreterin sind … ich kaufe nichts.«
»Sie sollen nichts bezahlen. Sie könnten von mir Geld bekommen.«
»Geld? Sind sie 'ne Fee? Wie viel kann ich denn bekommen?«
»50.000 Euro, darf jetzt reinkommen?« Magnus Augen wirkten plötzlich wacher. Er schaute links und rechts in den Flur. »Aber klar doch, es ist nur nicht aufgeräumt.« Magnus führte Cora in die Küche. Dort sah es schrecklich aus: Bierflaschen und ein randvoller Aschenbecher standen auf dem Tisch. Daneben lagen Spielkarten und Jetons. Auf der Anrichte stapelte sich ungespültes Geschirr. Magnus packte die leeren Bierflaschen in eine Kiste. »Sorry, wir haben gestern hier gepokert«, sagte er und riss das Küchenfenster auf. »Herr Saturn, ich will es kurz machen. Es handelt sich um eine Geldübergabe. Mehr erfahren Sie, wenn Sie mitmachen sollten. Sie sind mir speziell für diese Geldübergabe empfohlen worden. Für Sie sind, wie ich schon sagte, 50.000 Euro drin. Denken Sie in Ruhe darüber nach. Falls Sie Interesse haben sollten …« Cora zog eine Visitenkarte hervor und überreichte diese Magnus. »… dann kommen Sie am Samstag gegen 15 Uhr zu mir, das ist meine Adresse.«
»Ja, aber …«, Magnus versuchte einen Satz zu bilden, doch Cora drehte sich um und verließ die Wohnung.
»Ich bin der Boss«, sagte Cora, als sie mit dem Fahrstuhl hinunter fuhr. Dann musste sie über ihr angeberisches Verhalten lachen.
Cora hielt an einer Metzgerei an, dort kaufte sie ein Kotelett für Joschie. Cora hatte, nach allem was
Weitere Kostenlose Bücher