Oracoli (German Edition)
ergriff. »Wollten wir Wallensteins Briefe fälschen, bräuchten wir Papier aus der Zeit des 30 jährigen Krieges und Sie müssten die Handschrift des Feldherrn so lange üben, bis Sie sie beherrschen. So einfach ist das. Der Malgrund ist des Fälschers halbe Miete, Frau Lahn. Das gleiche gilt für Gemälde; für ein Ölgemälde bräuchten Sie eine Leinwand aus der Zeit, in der Ihr Künstler, den Sie fälschen würden, lebte. Sie suchen bei eBay ein Bild, sagen wir mal aus dem ausgehenden 19ten Jahrhundert. Sie ersteigern einen alten Schinken eines längst vergessenen Hobbymalers, entfernen mittels Terpentin den röhrenden Hirsch und verewigen darauf einen van Gogh. — Profis machen natürlich keinen van Gogh, sondern fälschen einen Künstler, der nur halb so bekannt ist. Noch einen van Gogh auf irgendeinem Speicher zu finden, wäre einfach zu plump.« Daran hatte Cora nicht gedacht. Die Idee, Vorstudien eines Gemäldes zu zeichnen, wäre realisierbar. Ihr war bekannt, dass etliche Vorstudien im Umlauf waren, dessen Echtheit viel schwerer anzuzweifeln war, als die von Gemälden. Cora wusste auch, dass man mit dem richtigen Papier kaum etwas verkehrt machen konnte. Mit Wasser verdünnte Tusche, sieht wie alte, verblasste Tusche aus. Das Alter der Tusche ist nicht ermittelbar. Das wichtigste dabei ist das Papier. Die Frage ist: Wo kriegt man das Papier her? Stimmt das Papier, stimmt auch die Fälschung.
Cora interessierte sich brennend für Magnus Papierquelle. Er hatte jetzt ihre Neugier geweckt. So ein Papierfundus wäre für ihre Leidenschaft, Bilder zu kopieren, das Größte. Sie wollte unbedingt wissen, welche Papierquelle er hat. Sie versuchte es über einen kleinen Umweg herauszubekommen. »Und an welchen Künstler hatten Sie gedacht?« Magnus blies nachdenklich Ringe in die Luft. »Nicht wir wählen den Künstler, das Papier das wir bekommen, wählt ihn für uns aus.« Dann hielt sie es nicht mehr aus. Sie sagte flehend: »Bitte verraten Sie mir, wo Sie das Papier herbekommen.«
»Sie sind die Künstlerin, Frau Lahn, den Rest mache ich. Sie dürfen mich ruhig als Ihren Mäzen betrachten«, sagte er schmunzelnd. Cora war ein wenig enttäuscht und goss sich Wein nach.
»Sie kennen sich wirklich gut mit Fälschungen aus, waren Sie schon mal Fälscher?«
»Wie ich schon sagte, mir fehlt das Talent dazu.«
»Und wenn wir uns nur aufs Fälschen konzentrieren? Ich meine, wenn wir die Erpressung ganz vergessen und nur noch Fälschungen produzieren?« Magnus lächelte. »Dafür hätten wir uns früher treffen müssen. Nein, denken Sie an Ludwig, soll der Arme ewig auf der Flucht bleiben? Sie stecken zu tief drin, um die Sache auf sich beruhen zu lassen. Außerdem ist es besser, bei einer kleinen Fälschung zu bleiben. Ein größeres Ding bedeutet auch; ein größeres Risiko einzugehen. Und wie Sie selber sagten, Frau Lahn, ein Gemälde oder noch mehr Vorstudien bräuchten mehr Zeit. Diese Zeit haben Sie leider nicht.«
»Ja, Sie haben Recht, Herr Saturn, das war dumm von mir. … wann haben Sie das Papier?« Magnus stand auf und zog den Wagenschlüssel aus seiner Hosentasche. »Morgen früh, spätestens morgen Abend, Frau Lahn.« Daraufhin ging Magnus zur Haustür. Als er sich an der Haustür noch mal zu Cora umdrehte, bemerkte er ihre Unsicherheit. Zu ihrer Verwunderung nahm er ihre rechte Hand und streichelte sie, Cora empfand das nicht als unangenehm. Im Gegenteil, es gab ihr eine gewisse Sicherheit, seine warmen Hände zu spüren. »Machen Sie sich keine Gedanken, Cora, Sie haben jetzt einen Mäzen.« Cora fühlte sich plötzlich nicht mehr so alleine. Sie lächelte ihn dankbar an.
Die 10. Skizze
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die freundliche Frau, die eine Hornbrille auf der Nase trug und sehr unscheinbar aussah. Sie stand hinter einem Pult und arbeitete an einem alten Buch, indem sie den Buch-rücken neu einklebte. Magnus hatte einen Anzug an und trug ebenfalls eine Brille, die ihn seriös aussehen ließ. Er hatte sich für sein Vorhaben ein sehr nobles Düsseldorfer Antiquariat ausgesucht. »Ja, ich suche Bücher aus dem 16ten Jahrhundert oder noch ältere.« Die Frau drehte sich zu einem Schrank um, öffnete ihn und zog eine Kladde heraus. Sie legte sie auf das Pult, öffnete diese und fuhr mit dem Finger die aufgeschlagene Seite entlang. »Oh, Sie haben Glück, wir haben tatsächlich Bücher aus dieser Zeit, und zwar Kontobücher von 1511, von dem
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