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Oracoli (German Edition)

Oracoli (German Edition)

Titel: Oracoli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Becks
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Er klopfte dreimal sachte mit seinem mitgebrachten Holzhammer auf die Papierplombe. Dann entfernte Magnus mit einer Rasierklinge die überstehenden Papierreste und blies sie davon. Cora sah ihm dabei skeptisch zu. »Okay, das hilft mir beim Zeichnen, aber das geflickte Loch erkennt doch jeder, der das Papier gegen das Licht hält. Und Experten halten es gegen das Licht, da bin ich mir ziemlich sicher.«
       »Das ist ja gerade der Trick dabei, Sie sollten beim Zeichnen unbedingt die geflickten Stellen kreuzen. Sobald die Tusche getrocknet ist, entfernen wir wieder die Pfropfen, und siehe da – haben wir unser Wurmloch zurück. Nun frage ich Sie; wer war zuerst da, der Zeichner oder der Wurm?« Cora war beeindruckt. »Der Zeichner«, sagte sie fasziniert. »Der Wurm hat sich später durch die Zeichnung gefressen. Das ist ja genial.«
       »Genau, der innere Rand des Loches bleibt beim Zeichnen durch den Kitt geschützt. Experten sehen sich das Unikat unter dem Mikroskop genauer an und stellen schließlich fest, dass die Wurmlöcher frei von Tusche sind, sie stellen weiterhin fest, dass der Wurm nach der Zeichnung kam … sie werden sich wahrscheinlich nur auf das Papier konzentrieren. Und das ist von 1511.« Cora war jetzt von seiner Euphorie infiziert. »Sagen Sie schon. Wen soll ich kopieren?« Magnus erhob sich, ging zu einem Aktenkoffer, den er bei seiner Ankunft in Coras Atelier auf der Werkbank abgestellt hatte, öffnete ihn und nahm ein Buch heraus. Cora beobachtete ihn neugierig dabei, sie wollte endlich wissen, in welchen Künstler sie sich verwandeln würde. Magnus gab ihr das schwere Buch. Sie setzte sich hin und betrachtete es von außen. »Grünewald? War der nicht Holzschnitzer? Hat der nicht dieses berühmte Altarbild geschaffen?« Sie schlug das Buch mittig auf. Magnus schob ihr den Stapel mit Kopierpapier zu.
       »Richtig, er war Maler und Bildhauer. Bitte fangen Sie an zu üben, Sie sind nun Mathis-Gothart-Nithart, genannt Grünewald. Sie sind der Schöpfer des Isenheimer Altars«, sagte er feierlich. Cora betrachtete die Figuren des Altars. »Der Stil ist gotisch, ihn nachzuahmen ist nicht so schwer. Das sollte ich hinbekommen.«
       »Es ist das beste Buch über Grünewald, das ich kriegen konnte. Alle Sujets, selbst die kleinsten Details des Altars sind in einer hervorragenden Qualität abgebildet.«
     
       Während Magnus die Blätter präparierte, studierte Cora das Buch. Stunden vergingen. Zwischendurch beobachteten sie sich gegenseitig. Magnus sah, wie sie beim Lesen, ganz nebenbei, Skizzen anfertigte. Cora beobachtete ihn, wie vorsichtig er mit dem Papier umging. Magnus machte eher den Eindruck auf sie, als ob er auf Blattgold denn auf Papier hämmere.
       Es dämmerte; Cora schaltete die Neonlichter ein und zeichnete weiter. Magnus, der die präparierten Papierbögen sorgfältig im Wechsel mit Löschpapier stapelte, war fertig mit der Flickarbeit. Er ging zu Cora und sah ihr über die Schulter. Magnus war völlig baff, als er ihre Skizzen sah. »Sie brauchen nicht mehr zu üben, Cora, Sie zeichnen schon wie Grünewald … aber.« Sie drehte den Kopf nach oben und sah ihn an. »Aber was?«
       »Es gibt da ein Zitat von Michelangelo, warten Sie …« Magnus sah zur Decke. »Ah ja, ich hab's: Wie in der Tinte und im Federkiel. Der hohe und der niedere Stil enthalten …«
        »So kann im Stein sich manch ein Bild gestalten, reich oder ärmlich, wie's dem Geist gefiel«, zitierte Cora zu Ende. »Sie haben Recht, Magnus, ich weiß worauf Sie hinaus wollen. Bisher habe ich nur den Altar und die Details des Altars abgezeichnet.«
       »Richtig. Da Sie aber nun Grünewald sind, existiert der Altar für Sie gar nicht.« Magnus sammelte das Buch und die Skizzenblätter ein und steckte alles in sein Köfferchen. Cora sah ihm dabei verdutzt zu.
       »So müsste das klappen«, sagte er. »Zeichnen Sie jetzt den Altar und seine Sujets aus dem Gedächtnis, das könnte authentisch genug werden, denke ich.«
       ›Der hat leicht reden‹, dachte Cora, und fing an zu zeichnen. Magnus nahm eine kleine Glasplatte, ein Skalpell und verschiedene Flügelfedern aus dem Aktenkoffer. Damit machte er sich an die Herstellung von Kielfedern. Nach Entfernen der Federn gab Magnus den Zeichengeräten die verschiedensten Spitzen; schräg nach links, schräg nach rechts und gerade geschnittene, die er schließlich vorsichtig aufspreizte. Er wollte, dass Cora aus der Vielfalt der Federkiele die

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