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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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schwarzen Netze unter den Bäumen, die ordentlich zu dicken Paketen zusammengerollt für die Ernte bereitlagen.
    Eva schüttelte den Kopf: »Und du musst dabei sein, wenn der baut, man weiß doch, wie die Deutschen im Ausland über den Tisch gezogen werden.«
    »Ich wusste, es würde dir gefallen. Du wirst nie etwas bezahlen müssen, das schwöre ich dir, aber ich lasse dich mit in den Kaufvertrag eintragen, du sprichst besser Italienisch als ich, und falls mal irgendwas ist …«
    Falls mal irgendwas ist … Eva hatte Milena nicht retten können, niemand hatte sie retten können, es war einfach zu schnell gegangen. Sie spürte Kopfschmerzen hinter ihrer rechten Schläfe aufziehen. Als sie ein einziges Mal in ihrem Leben nicht vernünftig war, nicht aufgepasst hatte, war Milena verunglückt und achtzehn Jahre später an den Folgen gestorben. Niemand hatte sie danach mit irgendwelchen dummen, beschwichtigenden Sätzen trösten können. Weil es stimmte. Weil es einfach stimmte …
    Ob Milena mit diesem Vorabendprogramm-Italiener Michele, der sie zu den Trulli überredet hatte, auch im Bett ge wesen war? Schon möglich, aber das interessierte jetzt nicht, der Trullikauf lag mindestens vier Jahre vor Milenas Begegnung mit Georg.
    Milena hatte Glück gehabt und recht behalten. Für weitere 60 000 Mark wurden die Trullitürmchen in ihrer Abwesenheit von Mimmo wieder instand gesetzt. An einem errichtete er einen rechteckigen Anbau und eine große Pergola aus Holz, die Zisterne wurde von innen frisch verputzt, eine Pumpe hineingesetzt und Strom vom nächsten Masten zum Grundstück gelegt. Er baute die Mauer wieder auf, die Torpfeiler bekamen mit einem vollautomatischen Rolltor wieder eine anständige Aufgabe, und mit den zwei Oleanderbüschen rechts und links der Einfahrt sahen sie aus, als hätten sie nie etwas anderes getan.
    Seit Milenas Tod waren weder Georg noch Eva nach Apulien geflogen. Eva, Meisterin der Pflichterfüllung, der To-do-Listen, des Abhakens, des Nichtaufschiebens, hätte sich in gewohnter Art um die Pflege des Grundstücks, das Bezahlen der Stromrechnung und alles andere kümmern müssen. Doch an diesem Punkt blockierte irgendetwas ihr Hirn und hinderte sie daran. Und das Seltsame war: Sie fühlte sich gut dabei, als ob das Schleifenlassen, das Wegschieben sie tröstete. Fünf Jahre lang, bis zu diesem Moment.
    »Rufst du den kleinen Jannis an? Er wird sich bestimmt freuen, deine tiefe Schmachtstimme am Telefon zu hören. Das war doch der, der dich auf der Hochzeit so angemacht hat!« Georg holte sie aus ihren Gedanken zurück.
    »Schmachtstimme?! Das ist nun mal meine Tonlage, oder meinst du, ich mache das extra? Und so klein war der gar nicht. Er war nur jung! Erst zweiundzwanzig, sechs Jahre jünger als ich, aber immerhin einen Kopf größer.«
    Georg hob den Kopf: »Hast du ihn ausprobiert?«
    »Bitte?«
    Er schüttelte den Kopf, lachte aber nicht, grinste noch nicht mal.
    Nein, sie hatte Jannis nicht »ausprobiert«, nicht im klassi schen Sinne eines One-Night-Stands, obwohl sie kurz davor gewesen war. Der Maskenbildner aus München war hübsch, konnte wunderbar tanzen, war witzig und an schmieg sam wie ein junger Hund. Sie hatte den Abend einfach nur überstehen wollen, hatte getrunken, ohne betrunken zu werden, und über alles gelacht. Obwohl sie eigentlich weinen wollte, denn Georg, ihr Georg, in den sie so verliebt gewesen war, heiratete ihre Schwester. Erst als sie mit Jannis durch die Olivenbäume davonging, war ihr auf einmal alles egal. Sie hatte ihren Charme an ihm ausprobiert, ihm genau das gegeben, was er brauchte. Komplimente. Bewunderung. Die Aussicht auf Sex. Sie hatte vertrauliche Nähe hergestellt, sich dann aber wieder auf den Sockel der Une rreichbarkeit begeben, damit er sich bemühen musste. Alles wohldosiert. Und es hatte funktioniert. Als sie nach zwei Tagen am Bahnhof von Ostuni Abschied voneinander nahmen, war sie amüsiert und geschmeichelt, er aber schwer verliebt.
    »Ich finde dich toll, aber ich bin nicht frei!«, hatte sie ihm am Telefon gesagt. »Es tut mir leid!«
    »Na, den können wir also schon mal fragen! Rufst du ihn an? München, passt doch.« Er hatte sich einen Kugelschreiber genommen und strich einige Namen aus.
    »Produktionsleitung, Herstellungsleitung, Schnitt, alles Frauen, deutsche Frauen. Können wir also streichen. Maske auch, Anna und der kleine Jannis, Kostümabteilung, alles Mädels, wie immer. Und der Rest des Teams: Männer. Italienische

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