Orangenmond
sagte Georg, »sie kannte mich noch nicht, und es war höchstwahrscheinlich dann doch nur einer. Einer reicht ja. Und deswegen machen wir auch weiter! Also, bei wem waren wir stehen geblieben?«
»Bei diesem Typ, der zu Besuch kam«, sagte Eva, während sie sich hinhockte und Jannis’ nackte Waden mit Mückenspray einnebelte.
Georg sah ihr verwundert dabei zu. »Wow, du bist immer so verdammt vorbereitet, Eva! Du würdest eine wirklich gute Requisiteurin abgeben, immer alles dabei, in mehrfacher Ausführung, immer etwas mehr als abgesprochen …«
»Sich stechen lassen oder nicht?«, erwiderte Eva.
»Auf keinen Fall!«, antwortete Jannis. »Ich liebe das, wenn du vor mir kniest und dich um mich kümmerst, du meine gute Fee!« Eva grinste. Er war tatsächlich betrunken.
»Also, woher kam dieser Besucher?« Eva beendete ihre Sprühaktion und warf Georg in hohem Bogen die Spraydose zu, der sie mit einer Hand fing.
»Ich glaube von da, wo ihr immer als Kinder gewesen seid, andauernd erzählten die beiden sich was von einem Campingplatz und Discotheken, in die man sie nicht reingelassen hat …«
»Pesaro! Etwa Sergio aus Pesaro, der immer im Fischladen seines Vaters mithelfen musste?«
»Sergio, ja, ich glaube, er hieß so. Könnte sein. Mit einem Fischladen war da irgendwas. Und einem Beutel Mies muscheln.«
»Sergio, der alte Herzensbrecher«, rief Eva, sie merkte selbst, wie altbacken sie sich anhörte. Eva, die alte Tante, die auch mal lustig sein wollte. Dabei war sie gekränkt. O Gott, doch nicht Sergio! Den hätte sie gern für immer vergessen. Jetzt war er wieder da.
Damals hatte Sergio Milena nicht beachtet, obwohl sie eindeutig die Hübschere war, sondern sie, Eva, auserkoren. Er hatte ihr Komplimente gemacht. An mehr als sei bella! erinnerte sie sich zwar nicht, doch es hatte gereicht, um sie auf seinen Roller steigen zu lassen. Er hatte sie zu einer Pizza eingeladen und dann sein Geld vergessen. Eva zog die Stirn kraus, das war zweiundzwanzig Jahre her, sie war sechzehn gewesen. An Sergios romantische Worte erinnerte sie sich nicht mehr, dafür versorgte ihr Elefantengehirn sie mit der Information, dass er ihr immer noch 12 000 Lire schuldete … Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie auch das Wissen verdrängt, dass die Liegen am Strand ziemlich unbequem waren und ihre Querverstrebungen sich einem in den Rücken bohrten, sollte man das Pech haben, unter jemandem zu liegen, der doppelt so schwer wie man selbst war.
»Gib mal die Flasche!«, sagte sie zu Jannis und blätterte in der Stabliste, die auf einem der vier Karussellsitze lag.
»Was war mit Massimo, dem Oberbeleuchter?«
»Vergiss den, niemals. Hing dauernd am Telefon, frisch verliebt, fuhr sogar einmal weg zu seiner Verlobten und kam einen Tag zu spät wieder. In Deutschland wäre der längst geflogen. Aber seine schmierigen Kumpel haben ihn gedeckt. Die ganze Beleuchterriege kannst du streichen, die haben sich abgesondert, waren antipatico – aber so was von.«
Eva quetschte sich in den Sitz. Die Metallstangen knarrten empört.
»Kamerabühne, Francesco Anselmo?«
»Netter Kerl, sah aber aus wie ein Truthahn. Ganz led rige, rote Haut, komische blonde Haare. Fällt absolut aus.«
Sie gingen die restliche Stabliste durch, ohne auf einen weiteren potenziellen Kandidaten zu stoßen, und begannen, sich durch die männlichen Namen der Castliste zu arbeiten.
»Frieder Unnerstall – Rolle Hans?«
»Oje, nein. Der war mindestens achtzig und ein Nazi. Auch ohne Kostüm.«
»Rolle Ansgar? Mein Gott, warum haben die Deutschen in diesem Film alle bloß so abartige Namen?«
»Rolle Ansgar? Das war der Thomas Kühn. Der war nett, aber harmlos, also ich meine, der war mit der Familie angereist. Hätte nicht hingehauen.« Sie hakten noch ein paar weitere Namen ab.
»Und natürlich Elio …«, sagte Eva dann, »den haben wir übersprungen.«
»Tja, Elio Rubinio … Sorry, Mann«, sagte Jannis, als er Georgs Blick bemerkte. »Er hat den Maurizio gespielt, der sie nachher rettet, ich meine … Wie oft hast du ›Die Mandeldiebin‹ gesehen?«
»Oft!«
»Sie waren am Ende das Liebespaar«, sagte Eva leise für sich, aber die anderen hatten es dennoch gehört.
»Was du nicht sagst …«, brummte Georg. »Dieser Schönling! Den fand ich schon immer arrogant.«
»Ja, aber Liebespaare gehen, nachdem die Klappe gefallen ist, nicht zwangsläufig miteinander in die Kiste. Viel öfter beschweren sie sich bei uns in der Maske, dass der andere schon
Weitere Kostenlose Bücher