Orangenmond
schmeckte köstlich! »Wir sollten langsam gehen, Leute!«, sagte Georg gerade zum dritten Mal und blieb sitzen.
Es hatte angefangen mit den frisch gebackenen piadine , fla chen Teigfladen, die so lange in der Pfanne gebacken wur den, bis sie an ganz vielen kleinen Punkten ein bisschen angebrannt waren. Laura stellte sie einen Moment zum Abkühlen in ein Holzgestell und füllte sie dann mit einigen dünnen Schinkenscheiben, die sie kunstvoll von einem halben Schweinebein, an dem noch der Fuß hing, absäbelte.
»Prosciutto di Parma!«, erklärte sie.
Dann fuhr Laura weiter auf, eine Schale nach der anderen holte sie aus den Tiefen des Kühlschranks hervor und wärmte sie kurz in der Mikrowelle. Überbackene Tomaten, mit Petersilie und Semmelbröseln gefüllt, hellgelbe Chicoréehälften mit feinen Speckstreifen und ein köstlicher Spi natkuchen. Zwischendurch dünstete sie grünen Spargel und servierte ihn mit Zitronensaft und gehobelten Spänen von parmigiano . Dazu Fenchel- und Möhrenstücke zum Knabbern, die vorher in Salz und Olivenöl gestippt wurden.
»Ed Anna?«
Nachdem Anna mit Davide in der tonlosen, aber Blaulicht werfenden ambulanza entschwunden war, hatte Jannis die offene Champagnerflasche von oben geholt. »Wäre doch schade drum, und wenn sie mich schon nicht dabeihaben will …«
»Ah, keine Sorge, die besuchen wir, sobald das Kind da ist! Davide ruft uns dann an«, antwortete die Schwiegermutter auf Italienisch, wobei sie irgendetwas mit den S-Lauten in ihrem Mund anstellte, sodass es klang, als ob sie einen zischelnden Sprachfehler hätte. Ganz Emilia Romagna schien im Übrigen diesen Sprachfehler zu haben. Eva übersetzte. Mit dem zweiten Glas waren auch ihre Italienischkenntnisse zurückgekehrt.
»Aber er ist doch bei ihr, oder?«, fragte Jannis.
»Er sitzt draußen, na sicher!«, lautete die Antwort.
»Also bei der Geburt ist er nicht direkt dabei?«
»Was soll er denn da, mitpressen?! Haha!« Laura lachte wie über einen köstlichen Witz. »Esst, esst!«, ermunterte sie Jannis und tätschelte Georg, den sie zu ihrem besonderen Liebling auserkoren hatte, weil er die hölzerne azdora , mit der sie die Teigfladen ausrollte, und ihr Essen mit seiner kleinen silbernen Kamera fotografierte und sich sogar ehrfürchtig Notizen machte!
»Also, Mehl, Hefe, Salz, Schweineschmalz und Honig für den Teig … und ein bisschen Milch«, diktierte Laura.
»Wie viel Milch?«, übersetzte Eva Georgs Frage.
»Ah, quanto basta, bis es reicht.« Georg lachte. Sein Lachen und das Interesse an dem Rezept für die piadine schliffen der Schwiegermutter für einen Moment die tiefen Falten neben ihrem Mund weg.
»Die arme Anna! Jetzt muss sie das also doch alleine überstehen«, sagte Jannis, »während ich mir hier hauchdünnen Parmaschinken frisch von der Keule reinhaue und Schampus saufe, dabei hatte ich es ihr versprochen …«
»Davide ist doch noch rechtzeitig gekommen. Und sie hätten dich nicht mit reingelassen, garantiert nicht, wenn für den Ehemann schon nur der Warteraum infrage kommt.« Eva erstickte gekonnt einen satten Rülpser in ihrer Serviette.
»Grazie, ma non posso più!« Jannis wedelte abwehrendmit der Hand über seinen Teller, als Laura ihm erneut etwas auftun wollte.
»Wie hat sie ihrem Mann überhaupt klarmachen können, dass du nur ein Freund bist? Ein Italiener kann sich doch überhaupt nicht vorstellen, dass Mann und Frau befreundet sein können!«
»Gar nicht. Sie hat behauptet, ich sei ihr Bruder. Kürzlich aufgetauchter Halbbruder.« Jannis starrte mit sorgenvoller Miene in sein leeres Glas. »Wir hätten mitfahren sollen. Ich hätte hinterherfahren sollen.« Sein Blick suchte den von Eva, nun gar nicht mehr selbstbewusst strahlend, eher fragend und immer noch ein bisschen verliebt und verletzt. Sie lächelte. Mann, Jannis, nun guck nicht so, das ist über zehn Jahre her.
»Bei mir war das damals auch noch so, als ich Georgie bekam, das war ja Anfang der Siebziger, da blieben die Männer draußen«, meldete Helga sich zu Wort. »Ach, die meisten blieben gleich ganz zu Hause. Ich wurde auf ein unbequemes flaches Bett gelegt, Beine in so Steigbügel, und die Hebamme war ’ne Nonne mit schwarzer Haube und sagte immer: ›Press, Mutter, press!‹« Georg hob die Hand. Bitte keine weiteren Auskünfte! Aber Helga ließ sich nicht stoppen. »Geburtshäuser, schön mit Badewanne, Rumlaufen, Räucherstäbchen und Schnickschnack, all das gab es damals ja noch nicht. Ich denke, dein
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