Orangenmond
morgens nach Pferdestall stinkt und aus dem Mund riecht, und wollen, dass wir Deo, Mundspray oder Pfefferminz verteilen. Prost!« Jannis trank einen großen Schluck. »Oder es geht um schweißnasse Hände, pelzige Zungen und Zähne, Ohrmuschelgeruch … Was wir uns da schon alles anhören mussten.« Eva schaute wieder zu Georg, der an einem Baum lehnte und sich seine helle Sweatshirt-Jacke vermutlich gerade mit Kiefernharz ruinierte. Und was war mit Brad Pitt und Angelina Jolie? Michelle Williams und Heath Ledger? Jennifer Garner und Ben Affleck?
»Das sind alle, die infrage kommen könnten«, sagte Jannis.
»Also, wen haben wir jetzt?« Eva schnappte sich Block und Stift, die sie in ihrem Zimmer gefunden und vorsorglich mit nach draußen genommen hatte. »Der Regisseur, wie heißt der … Reza Jafari. Klingt ja nicht gerade italienisch. Hier steht eine Adresse in Rom.«
»Er ist Perser. Und lebt schon seit ein paar Jahren nicht mehr in Rom, sondern in Perugia. Er leitet da ein Kino, glaube ich. Man lässt ihn nicht mehr drehen.«
»Weil?«
»Weil er ein Schauspielertyrann ist, weil er große Budgets in den Sand gesetzt hat, weil er auch privat notorisch pleite ist und oft schwer betrunken. Wie ich jetzt gerade …«
»Schlecht für einen, der Filme machen will.«
»Stimmt. Aber er konnte auch sehr charmant sein, aller dings nur zu Milena. Sie war die Ausnahme …« Jannis stand auf, das kleine Drehkarussell protestierte quietschend, Eva sackte mit ihrem Sitz ein Stück tiefer. Mussten denn alle in irgendwelchen Städten wohnen, mit denen sie eine Erinnerung verband? Ausgerechnet Perugia.
Jannis ging zu Georg, legte ihm den Arm um die Schultern und lehnte seinen Kopf gegen seine Schläfe, wahrscheinlich, um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen. »Hey, ich fühle mich echt mies, darüber zu reden. Aber bei ihr war er wirklich total handzahm. Und nur deswegen komme ich drauf. Muss aber alles nichts bedeuten, Alter.«
Eva zuckte zusammen, Georg schaute zu ihr rüber und grinste schwach. Ein kurzer Moment des Einverständnisses zwischen ihnen. Hey, Alter … Jannis wirkte mit seiner Art zu sprechen noch jünger, als er sowieso schon aussah. Sie nahm wieder den Stift zur Hand.
»Dann also zu Sergio. Wie lange war der am Set?«
»Na, die erste Woche, rannte überall rum, saß bei ihr in der Maske, im Wohnwagen.« Jannis hatte von Georg abge lassen. »Der hat an einem Abend für das ganze Team was ge kocht, in so einer Riesenpfanne, Paella glaube ich … Nur eine Vermutung, Georg! Nicht die Paella, das andere. Ey, du hast mich gefragt!« Jannis streckte die Hände in die Nachtluft.
Sergio, du Arschloch, dachte Eva. Warum Milena? Nach all den Jahren? Hattest du sie schon immer auf deiner Liste? Weil du bei ihr nicht zum Zuge gekommen bist? Sondern nur mit der großen Schwester aus warst? Oder weil du dich mit ihr brüsten wolltest?
»Nächster!«, sagte Georg, trank die Rotweinflasche in einem Zug leer und gab sie an Jannis weiter, der sie auf den weichen Kiefernnadelboden fallen ließ.
»Konrad. Unser Kameramann. Rote Haare, leichtes Tourette-Syndrom, ergebener Fan von Milena.«
»Ach klar! Ich erinnere mich an ihn. Der war doch auch bei Milenas Beerdigung, oder?«, fragte Georg.
Eva nickte. Ein hochgewachsener, massiger Mann mit Schweizer Akzent, der völlig verweint um Erlaubnis gebeten hatte, ein weiteres, großes Porträt von Milena vorn neben den Sarg zu stellen. Sie scheuchte die Erinnerungen an die schrecklichen Tage nach Milenas Tod in den hintersten Winkel ihres Gehirns, suchte stattdessen Konrad und seine Adresse in der Liste und räusperte sich: »Wohnt er immer noch in Rom?«
»Kann gut sein, weiß ich aber nicht sicher. Wenn du ihn googelst, findest du ihn garantiert.«
Eva atmete auf. Mit Rom verband sie gar nichts. Sie war niemals dort gewesen, keine Erinnerungen, keine unerfüllten Sehnsüchte, sie wusste nur, dass es eine tolle Stadt sein sollte.
»Und wo wohnt der Vierte, der Hauptdarsteller?«
»Elio? Ach, auch in Rom, denke ich. Wenn du als Schauspieler in Italien lebst, musst du einfach in Rom wohnen. Ist Pflicht.« Jannis lallte und stöhnte ein wenig, und als er sich vorbeugte, hatte Eva schon Angst, er würde sich im nächsten Moment übergeben. Er hob aber nur die Flasche auf. »Er kommt aus Ostuni, hat seiner Mutter dort eine kleine Pension gekauft, damit sie etwas zu tun hat. Darüber haben wir uns mal unterhalten. Seine Mamma, mein Gott, wie oft er von ihr geredet hat.
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