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Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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uns mal was zu trinken?«
    »Komme gleich wieder!«, sagte er zu ihr und ging die drei Meter zur Bar hinüber. »Zwei Heineken!«, hörte Eva und gleich darauf das Zischen und metallene Klickern der Verschlüsse auf dem Tresen. Eins, zwei, drei, zählte sie, ein weiteres Bier also für ihn. Langsam drückte sie die Holztür weiter auf, sie war enorm dick. Der Torbogen war hier oben hohl. Man hatte einen Lagerraum darin eingerichtet, nicht sehr breit, zwei Meter höchstens, dafür aber endlos lang. Eine Menge der Kinoplastikstühle standen zu schiefen Türmen gestapelt rechts an der Wand, zwei Baumarktregale mit Getränkeflaschen, Kartons, Gläsern an der anderen. Die Bar schien keine großen Vorräte zu brauchen. In der Tiefe war der Raum leer. Mindestens sechs Meter lang spannte er sich über die Straße, das Ende lag im Dunklen, es schien dort hinten keine Lampe zu geben. Ob es auf der anderen Seite auch eine Tür gab? Eva machte einen Schritt nach vorn. Wovon hatte er gesprochen, und was hatte er gesammelt? Beweise gegen Milena? Akten, Papiere? Zwischen diesem Gerümpel? Es war nichts davon zu sehen. Auf einmal spürte sie einen gewaltigen Stoß zwischen den Schulterblättern, ihr Kopf flog zurück, es knackte in ihrem Nacken, sie wurde nach vorn geschleudert, landete auf Händen und Knien. Was war …? Was sollte das denn …?! Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss, es hallte in den Gang hinein, das Licht ging aus. Sie hörte den donnernden Herzschlag in ihrer Brust. Eine Weile blieb sie reglos hocken, versuchte ihre Augen an die Finsternis zu gewöhnen. Sie lag auf den Knien, brutal überrumpelt, eingeschlossen. Nicht zu fassen! Die immer vorsichtige, wachsame Eva mit dem großartigen Instinkt ließ sich einfach austricksen. Was zum Teufel wollte der Kerl von ihr? Warum sperrte er sie hier ein? Eva leuchtete mit dem Display ihres Handys herum, sah die Umrisse der Regale, die schiefen Stuhltürme, stand langsam auf und tastete sich bis zur Tür vor. Keine Türklinke, kein Licht schalter an der Wand, nur rauer Putz. Sie lauschte. Von außen war nichts zu hören. Weder Synchronstimmen noch Musik, kein einziger Laut.
    Sie wählte Georgs Nummer. Suche … meldete ihr Handy, sie hatte keinen Empfang. Die dicken Mauern des Bogens schluckten wahrscheinlich jegliche Wellen. Es dauerte mindestens noch eine halbe Stunde, bis er zurück sein konnte. »Was kann ich tun? Was kann ich tun?«, wiederholte sie murmelnd und massierte dabei ihre Nackenwirbel. »Überlege! Überlege jetzt gut!« Verstecken, falls er wiederkommt? Die andere Tür suchen? Gibt es Fenster? Fenster in einem Bogen? Ein Fenster könnte man einschlagen, es gäbe Scherben, die auf die Straße fallen und andere Leute aufmerksam machen würden … Ich könnte das Handy heraushalten und Georg anrufen oder die Polizei, dachte Eva. Wenn ein Fenster existiert, dann ist es vermutlich ein historisches, das unter Denkmalschutz steht. Und das zum Telefonieren kaputt zu schlagen gibt vermutlich Ärger, aber das hier ist ein klarer Fall von Freiheitsberaubung. Momentan zumindest noch. Wenn er nicht noch anderes mit mir vorhat. Sie ballte die Fäuste, sicher, dass die Tür gleich aufgehen und er sich auf sie stürzen würde. Sie leuchtete auf den Boden, tastete sich bis zum Ende des Ganges vor. Keine Tür. Warum auch, in zehn Meter Höhe? Vorsichtig ging sie wieder zurück, suchte dabei mithilfe des schwachen Lichtscheins die Wände ab. Sie fand ein rundes Fenster, gegenüber noch eines, alle beide ordentlich vergittert, durch die Rauten der Eisenstäbe passte nicht einmal ihre zitternde Hand, die sie mit dem Handy danebenhielt. Es suchte und suchte, die kleine Spirale drehte sich unaufhörlich. Wie lange war sie hier drin schon gefangen? Drei Minuten?
    Eva durchsuchte die Regale. »Bewaffne dich, du musst irgendetwas in der Hand haben, wenn er hereinkommt«, wisperte sie. »Du bist kein Opfer. Du wirst nicht als anonymisierte Akte bei irgendeiner italienischen Kollegin auf dem Schreibtisch liegen. Da hat er sich die Falsche ausgesucht.« Bei diesen Worten kamen ihr fast die Tränen. Sie schluckte hart und räusperte sich, sie würde sehr laut schreien müssen, um die Geräusche des Films zu übertönen. Neben den Rega len fand sie einen abgebrochenen Besenstiel. Besser als nichts. Nach ein paar Minuten, in denen sie den Holzstab mit ausgestreckten Armen mehrmals wie ein Schwert durch die Luft gezogen hatte, klemmte sie ihn unter die rechte Achselhöhle, holte im trüben

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