Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Orangenmond

Orangenmond

Titel: Orangenmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
Vom Netzwerk:
würde.«
    »Du bist toll, Eva! Habe ich dir das schon gesagt?«
    Plötzlich waren ihre Kopfschmerzen und ihre Zweifel verschwunden. Er sah so verletzlich und schön aus in seinem grauen T-Shirt, mit den strubbeligen Haaren und dem müden Grinseblick, sie hätte ihm in diesem Moment alles verziehen, alles. Warum konnte sie nicht einfach auf ihn zugehen, ihn küssen und seinen Kopf dabei mit beiden Händen festhalten wie gestern Nacht?
    »Und wir müssen auch noch in die Perugina-Schokoladen fabrik!«, rief Emil. Er schwenkte einen Flyer, den er von der Rezeption mit hochgebracht hatte. »Man kann zugucken, wie die Schokolade gemacht wird, und einen Haufen davon futtern!«
    »Großartig«, sagte Georg, doch es klang nicht sehr über zeugend. »Morgen mache ich alles, was ihr wollt!« Er schüt telte den Kopf, sah sie immer noch an. Da war doch Schuld in seinem Blick und eine Menge an schlechtem Gewissen! Wahrscheinlich bereute er schon, was er gestern Nacht gesagt hatte.
    » Mein Gott, bin ich fertig, ich vertrage anscheinend nichts m ehr. Milena war immer fit, auch wenn sie noch so viel getrunken hatte. Wer saufen kann, kann auch arbeiten, hat sie nach unseren Partys immer behauptet. Ging als Letzte ins Bett, räumte vorher noch die Spülmaschine ein und stand morgens ohne zu zögern auf …« Er rieb sich unter dem T-Shirt über seinen flachen Bauch. »Lass uns diese Nacht noch bleiben, ich kann jetzt nicht fahren. Später gehen wir vielleicht noch essen, ja? Die herzhafte umbrische Küche ist genau das, was ich heute brauche.« Er rang sich ein Lachen ab.
    Soll das jetzt immer so weitergehen mit dieser Berg- und Talfahrt?, dachte Eva.
    »Wir haben schon ein Restaurant für dich ausgesucht, Papa, da hängen Wildschweinköpfe dran, und es gibt vergammelte Pilze, die wie Erdklumpen aussehen und total teuer sind! Der Koch hat Eva eingeladen, wo ist die Budellutschi-Wurst für Papa, Eva?«
    »In meiner Handtasche.«
    »Und morgen geht es nach Rom«, sagte Georg.
    Eva wartete auf ein kleines Zeichen von ihm, ein Zwinkern, das an gestern Abend erinnerte. Irgendetwas! Als nichts dergleichen geschah, grinste sie und nahm die Hände hoch. Wie du willst, ich habe damit nichts zu tun, sollte das bedeuten.
    Eva dachte an das Taschentuch mit dem getrockneten Blut und an die Bierflasche, die ordentlich verwahrt in ihrem Koffer lagen. In ihrem Koffer, der in ihrem Hundertzwanzig-Euro-Zimmer stand, das sie jetzt zum Schlafen nutzen würde, am helllichten Tage, mit Schlafmaske und Ohrenstöpseln, schnurzegal, wie viele historische Sehenswürdigkeiten in Perugia noch zu entdecken waren.
    »Ich leg mich hin. Weiß Helga, dass wir bleiben? Nicht, dass sie wieder Zimmer bezahlen geht.«
    »Danke, dass ich noch etwas schlafen konnte! Lass dich doch auch wie Helga massieren, das Schwimmbecken da unten ist wirklich außergewöhnlich. Das Wasser ist angenehm warm, und man schwimmt über etruskische Mauerruinen, die mit einer dicken Glasscheibe abgedeckt sind. Ich würde dir eine Massage spendieren!«
    »Danke, aber ich mag es gar nicht so, wenn mich jemand anfasst, den ich nicht kenne.«
    Georg zog die Stirn in Falten. »Na ja, du musst ja nicht …« Er gähnte. »Jetzt gehe ich erst mal frühstücken, dann versuche ich, diesen Kamerafritzen zu errei chen.«
    »Du kannst aber nicht mehr auf der Dachterrasse frühstücken, Papa. Als ich mit Oma oben war, haben die schon alles abgeräumt, aber sie hat sich noch Orangen und Kiwis in die Tasche gesteckt, weil sie Vitamine braucht und die ja auch bezahlt hat. Hat sie gesagt.«
    »Eva geht jetzt schlafen, und du, Emil, zeigst mir, wo die Dachterrasse ist, einen Kaffee bekomme ich da bestimmt.«
    Emil hatte die in Papier eingeschlagene, dünne Kuttelwurst aus Evas Handtasche geholt und reichte sie Georg.
    »Du hast Glück, Eva, deine Tasche riecht jetzt genauso lecker wie der Laden mit dem Wildschwein!«, sagte er strahlend.

 
    16
    Natürlich flirtete Helga so penetrant mit dem Koch, der auf den schönen Namen Raffaele hörte, dass er für Eva nur noch ein erschöpftes Lächeln hervorbrachte. Natürlich fotografierte Georg jeden von Raffaele empfohlenen typisch umbrischen Vorspeisenteller, der auf ihrem Tisch landete. Natürlich verriet ein deutscher Idiot am Nebentisch Emil, woraus seine geliebten Peitschenwürstchen bestanden, sodass er sie von sich schob und nur noch Brot aß. Auch von den Linsen, in denen man den Speck kaum sah, und dem kunstvoll angerichteten Dinkeltörtchen mit Gorgonzola

Weitere Kostenlose Bücher