Orchideenhaus
leidenschaftlich. »Glaub mir, mein Engel, meine schöne Blume, ich werde dich nicht enttäuschen.«
»Ich weiß«, sagte sie und zog sich an.
»Ich liebe dich«, wiederholte er, als sie sich zum Gehen wandte.
»Ich liebe dich auch«, erwiderte sie und schloss die Tür hinter sich.
In den folgenden Tagen verbrachten sie jede freie Minute miteinander. Er traf sich in der Mittagspause mit ihr, und nachts, wenn Harry aus der Bar kam, wartete Lidia in seinem
Zimmer auf ihn. In dem Maß, wie Lidias Selbstbewusstsein sich entwickelte, wuchs auch ihr Einfallsreichtum, ihm körperliches Vergnügen zu bereiten.
Wenn sie ihn am Morgen verließ, döste Harry zufrieden wieder ein. Jetzt begriff er, warum die Mitgefangenen in Changi von den Freuden der Liebe geschwärmt hatten. Beim Gedanken an die hastige, fast mechanische körperliche Vereinigung mit Olivia schoss ihm das Blut in die Wangen. Das war, als würde man einen trüben Januartag in Norfolk mit der Wärme und Farbenvielfalt thailändischer Sonnenstunden vergleichen.
Harry hatte gefunden, wonach er sich sehnte. Früher war ihm das Leben sinnlos erschienen; nun hatte sich seine Welt innerhalb weniger Wochen völlig verändert. Er freute sich auf die Zukunft, und nachdem er die Entscheidung getroffen hatte, nach Thailand zurückzukehren und für immer zu bleiben, fühlte er sich ruhig und akzeptierte den Schmerz, den das für ihn selbst und andere mit sich bringen würde.
Harry hatte nicht mehr das Gefühl, dass jeder neue Sonnenaufgang einen Tag brachte, den es zu ertragen galt. Zum ersten Mal im Leben war er wirklich glücklich.
Am Tag vor seiner Abreise aus Bangkok überwand er seine Klaustrophobie und fuhr mit einem tuk-tuk zu einem Straßenmarkt ein paar Kilometer vom Hotel entfernt. Dort erstand er Seidenstoffe für seine Mutter und Olivia und für seinen Vater eine feine chinesische Pfeife aus Elfenbein. Seine letzten Baht gab er für einen kleinen Silberring mit Bernstein aus, der genau zu Lidias Augen passte.
Den letzten Auftritt in der Bar hatte Harry bereits absolviert, so dass er den Abend mit Lidia verbringen konnte. Sie nahmen ein Boot flussaufwärts zu einem kleinen Lokal am anderen Ufer, unter dessen Holzplattform leise das Wasser
schwappte. Beim gedämpften Licht der Laternen ergriff Harry Lidias Hand und zog sie zu sich heran.
»Ich habe etwas für dich. Ein Unterpfand meiner Liebe und meines Versprechens, bald wieder bei dir zu sein.« Er steckte ihr den Ring an den Finger. »Ich möchte dich heiraten, so schnell es geht. Willst du meine Frau werden?«
Lidia traten Tränen in die Augen. »Harry, du weißt, dass ich ja sage.« Sie streckte die Hand aus, um den Ring zu bewundern. »Das schönste Geschenk, das ich je bekomme.«
In jener Nacht taten sie kein Auge zu. Sie liebten sich und sprachen über die Zukunft, immer in dem Wissen, dass dies vorerst ihre letzte gemeinsame Nacht sein würde.
»Ich schreibe dir jeden Tag.«
»Und ich dir«, versprach Lidia. »Gib mir deine Adresse.«
Harry holte einen Zettel aus dem Nachtkästchen. »An diese Adresse musst du schreiben.«
Sie las sie und verstaute den Zettel in ihrem Korb.
Er hatte ihr Bills Anschrift gegeben, weil er seinem jungen Feldwebel bedingungslos vertraute. Harry erinnerte sich an die schrecklichen Tage vor ihrer Gefangennahme, an die Umzingelung ihres Bataillons durch japanische Soldaten, die weitaus besser auf den Dschungelkrieg vorbereitet waren als sie. Harry hatte sich gern auf Bills ausgeprägten militärischen Instinkt verlassen.
Eines Morgens hatte Bill in der üppigen Vegetation einen Scharfschützen entdeckt. Fünf Minuten später war eine Salve auf die kleine Truppe erschöpfter britischer Soldaten abgefeuert worden, die sie um vier Männer dezimierte. Als die Lage sich beruhigt hatte, war Harry, fast taub von den Schüssen, aufgestanden, und Bill hatte sich auf ihn geworfen, bevor ihn die nächste Salve niedermähen konnte.
Im Gegenzug hatte Harry Bill den Japanern in Changi
als den richtigen Mann für den stetig wachsenden Friedhof empfohlen, was Bill das Leben rettete. Während Tausende von Gefangenen nach Norden gebracht wurden, um beim Bau der birmesischen Eisenbahn mitzuhelfen, hatte Bill ungestört seiner Arbeit als Leichengräber nachgehen können.
Jetzt brauchte Harry Bills Hilfe erneut. Er war der Einzige, dem er vertrauen konnte, Lidias Briefe entgegenzunehmen und Harrys Antworten für ihn loszuschicken, denn dass Olivia diese Briefe zufällig
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