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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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entdeckte, wollte er nicht.
    Harry seufzte tief. »Was ist, Harry?«, fragte Lidia besorgt.
    »Nichts, Liebes. Mir graut nur davor, dich zu verlassen.« Er drückte sie fest an sich. »Wenigstens weiß ich, dass du in meiner Abwesenheit hier im Hotel gut aufgehoben bist.«
    »Ja, ich träume jeden Tag von deiner Rückkehr.«
     
    Der Morgen der Abreise kam viel zu schnell. Nachdem Harry in seine Kleidung geschlüpft war, umarmte er Lidia.
    »Bitte glaub mir, dass ich dich von ganzem Herzen liebe und zu dir zurückkommen werde.«
    »Ich warte auf dich.«

41
    England 1946
     
    Als die frühmorgendlichen Nebel sich lichteten und die Sonne sich einen Weg durch die Wolken bahnte, ließ Harry die Schlösser seines Koffers zuschnappen und ging an Deck, um zu warten, bis Felixstowe in Sicht kam. Bis zum Andocken sollte es noch eine Stunde dauern – eine Stunde noch, bis Harry sich den grauen Schatten seines früheren Lebens stellen musste, an das er sich kaum mehr erinnerte.

    Obwohl es Ende Mai und für englische Verhältnisse ziemlich mild war, fror Harry in der frischen Brise. Er hatte einen quälenden Monat an Bord hinter sich, in dem er ständig darüber nachgrübelte, wie er seinen Eltern und seiner Frau die Neuigkeiten unterbreiten sollte. Als sich die Silhouette von Felixstowe vor ihm abzuzeichnen begann, sank ihm der Mut. Er wusste, dass er ruhig und entschlossen bleiben musste und sich nicht von Flehen erweichen lassen durfte.
    Zum Trost stellte er sich Lidias schönes Gesicht und ihren nackten Körper vor. Egal was es kostete: Er konnte sie nicht aufgeben.
     
    Olivia saß in Gesellschaft anderer nervöser Ehefrauen und Eltern, die auf die Rückkehr ihrer Lieben warteten, in einem düsteren Café am Dock. Während sie an ihrem schwachen Tee nippte, fragte sie sich, ob sie ihren Mann überhaupt wiedererkennen würde.
    Nach Bills Rückkehr einige Wochen zuvor war Elsie zu Olivia gelaufen und in Tränen ausgebrochen.
    »Ach, Miss, seine Haare sind ganz grau geworden, und die Haut hängt ihm herunter wie einem alten Mann. Seine Beine sind spindeldürr, aber dazu hat er einen riesigen Bauch, als wär er mit Zwillingen schwanger. Er sagt, daran ist der Reis schuld; alle Männer in Changi hätten genauso ausgesehen wie er.« Elsie putzte sich die Nase. »Damit werd ich schon fertig … Ich bin ja dankbar, dass er lebend nach Hause gekommen ist. Aber er schaut mich nicht an; es ist, als wär er mit den Gedanken woanders, als würde er mich kaum kennen.«
    »Du musst ihm Zeit lassen. Es ist ein Schock für ihn, nach dreieinhalb Jahren an diesem grässlichen Ort zu seiner Familie in England zurückzukehren. Irgendwann findet er sich wieder zurecht.«

    »Ich weiß, doch ich hatte mich so darauf gefreut, ihn wiederzusehen. Ich habe die ganze letzte Woche vor Aufregung kein Auge zugetan. Sonderlich begeistert scheint er nicht zu sein über seine Heimkehr.«
    »Wir können uns vermutlich gar nicht vorstellen, was sie durchgemacht haben; man hat uns ja gesagt, wir müssten darauf gefasst sein, dass sie verwirrt sind. Bei Harrys Rückkehr wird es genauso sein, da bin ich mir sicher.«
    »Mum und Dad und ich, wir haben unsere Lebensmittelmarken aufgespart, damit wir ihm als Willkommensessen eine Lammkeule braten können. Die mag er doch so gern. Er hat sie kaum angerührt, Miss, und im Bett« – Elsie wurde rot – »hat er sich weggedreht und ist sofort eingeschlafen. Ohne Umarmung und nichts!«
     
    Obwohl Olivia sich innerlich so gut wie möglich darauf vorbereitet hatte, einen körperlich und seelisch veränderten Mann zu begrüßen, fürchtete sie den Augenblick des Wiedersehens.
    Fünfundvierzig Minuten später legte das Schiff mit lautem Tuten an.
    Harry war zu Hause.
     
    Olivia wartete voller Anspannung hinter der Absperrung, die die Familien vom Landungssteg trennte. Es dauerte eine ganze Weile, bis die ersten Männer aus dem Bauch des Schiffs auftauchten. Olivia ließ den Blick über die ausgezehrten Gesichter wandern, ohne Harry zu entdecken.
    Sie beobachtete, wie andere Männer von ihren Familien umringt und Freudentränen vergossen wurden. Manche der Heimkehrer saßen in Rollstühlen, andere gingen auf Krücken gestützt, oder ihnen fehlten Gliedmaßen … Es war ein trauriger
Anblick. Von Sebastian Ainsley wusste Olivia, dass Harry körperlich nicht versehrt war, obwohl das Denguefieber ihn fast umgebracht und seine Rückkehr hinausgezögert hatte.
    Gerade als Olivia zu glauben begann, dass Harry sich nicht auf

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