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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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dem Schiff befand, tauchte sein vertrautes Gesicht auf. Zu ihrem Erstaunen wirkte er aus der Ferne nicht sehr verändert. Im Gegenteil: Sein brauner Teint ließ ihn sogar ziemlich attraktiv erscheinen. Er war sauber rasiert, das dunkle Haar ordentlich gekämmt. In dem marineblauen Blazer und der cremefarbenen Hose sah er noch besser aus, als sie ihn in Erinnerung hatte.
    Sie ließ die Absperrung hinter sich und ging auf ihn zu. Verstohlen kniff sie sich in die Wangen, um sie röter zu machen, und überprüfte hastig mit der Hand, ob ihre blonden Haare saßen.
    Als er den Landungssteg verließ, rief sie seinen Namen: »Harry! Ich bin hier.«
    Er suchte mit leerem Blick nach dem Ursprung der Stimme und fand sie.
    Ihre Miene zeigte, wie glücklich sie war, ihn wiederzusehen.
    Seine Augen verrieten nichts.
    Als sie einander erreichten, schlang sie die Arme um seinen Hals. Harry erwiderte die Umarmung nicht.
    »Harry, Gott sei Dank bist du zu Hause!«
    Er löste sich von ihr. »Ja«, bestätigte er mit einem kurzen Nicken. »Wo ist der Wagen?«
    Obwohl es Olivia die Kehle zuschnürte, riss sie sich zusammen. »Nicht weit weg. Vielleicht fünf Minuten zu Fuß.«
    »Gehen wir hin?«
    »Ja. Du bist wahrscheinlich müde.«
    »Nein, überhaupt nicht. Ich habe einen Monat Untätigkeit auf dem Schiff hinter mir.«
    Sobald Harrys Koffer verstaut war und er auf dem Beifahrersitz
saß, ließ Olivia den Motor an, und sie machten sich schweigend auf den Weg nach Wharton Park.
    Harry blickte aus dem Fenster, den Kopf von Olivia abgewandt.
    »Nach Asien wirkt hier alles sehr farblos.«
    »Es ist Ende Mai, die schönste Zeit in England, wie du immer sagst«, wandte Olivia ein.
    »Ja«, pflichtete er ihr bei. »Aber jetzt, wo ich die Tropen kenne, weiß ich, dass England ihnen nicht das Wasser reichen kann.«
    Olivia war verletzt und schockiert über Harrys Reaktion. Sie wusste, dass es ihm schwerfallen würde, sich wieder einzugewöhnen, aber damit, dass er sich nach der Hölle auf Erden zurücksehnen würde, hatte sie nicht gerechnet.
    »Wharton Park präsentiert sich gerade von seiner schönsten Seite«, bemühte sie sich tapfer dagegenzuhalten.
    »Bestimmt«, erwiderte Harry kühl.
    Obwohl Harry äußerlich normal wirkte, erschien er Olivia seelisch nicht gesund. Vielleicht konnte Wharton Park, das Zuhause, das er so sehr liebte, ihm eine Gefühlsregung entlocken.
    Olivia richtete sich darauf ein, erst einmal mit seinem seltsamen Verhalten zu leben. Nun begriff sie, was Elsie gemeint hatte mit ihrer Bemerkung, Bill sei »mit den Gedanken woanders« – das Gleiche galt für Harry.
    Zwei Stunden später fuhren sie durch das Tor von Wharton Park. Olivia versuchte, Harrys Reaktion zu ergründen, konnte jedoch sein Gesicht nicht sehen.
    »Da wären wir«, sagte sie mit fröhlicher Stimme. »Willkommen daheim.«
    Harry richtete sich auf und erkundigte sich: »Wie geht’s Ma und Pa?«

    Olivia wunderte es, dass er zu dieser Frage so lange gebraucht hatte. »Deine Mutter ist kerngesund. Von deinem Vater lässt sich das leider nicht behaupten; er hatte letztes Jahr einen Herzinfarkt. Inzwischen hat er sich ein wenig erholt«, antwortete sie vorsichtig, »aber er soll nicht arbeiten. Die Ärzte sind der Ansicht, dass das sein Herz zu sehr anstrengt. Deine Mutter meint, ihn die ganze Zeit im Haus zu haben, strenge das ihre zu sehr an!«, versuchte Olivia zu scherzen.
    »O je.« Harry schaute Olivia besorgt an. »Aber er schwebt nicht in akuter Gefahr, oder?«
    »Bei einem schwachen Herzen weiß man das nie so genau. Übrigens möchte ich dich warnen«, wechselte sie das Thema, als sie sich dem Haus näherten. »Alle haben sich versammelt, um dich willkommen zu heißen.«
    Sie hielt den Wagen an und hupte dreimal. Sofort ging die Eingangstür auf, und Adrienne lief die Stufen hinunter, um ihn zu begrüßen.
    »Harry, mon chéri ! Du bist zu Hause!«
    Harry stieg aus und ließ sich von ihr umarmen. »Ach, Harry!« Sie trat einen Schritt zurück, um ihn von Kopf bis Fuß zu mustern. » Mon dieu ! Ich habe den Eindruck, dass du besser und gesünder aussiehst als bei deiner Abreise! Findest du nicht auch, Olivia?«
    Olivia nickte. »Das habe ich mir auch gedacht, als er vom Schiff kam«, pflichtete sie ihr bei.
    »Mir geht es gut, Mutter. Wieder«, fügte er rasch hinzu.
    Adrienne legte den Arm um ihren Sohn und führte ihn die Stufen hinauf; Olivia folgte ihnen. Als sie die Tür öffnete, wartete dahinter in zwei langen Reihen das gesamte

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