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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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meiner berühmten Enkelin?«
    »Gut, Oma. Es freut mich wirklich, dich zu sehen. Tut mir leid, dass ich dich nicht besucht habe, aber ich bin in letzter Zeit nicht viel aus dem Haus gekommen.«
    »Du hast viel durchgemacht, Liebes. Ich wusste, dass du vorbeischauen würdest, wenn du so weit wärst.« Elsie tätschelte Julias Hand. »Ich geb dir ordentlich Zucker in den Tee. Du siehst ja aus wie dein Opa nach dem Krieg, klapperdürr.« Sie reichte Julia eine Tasse und bestrich einige Scones dick mit clotted cream und Marmelade. »Meine hausgemachte Pflaumenmarmelade, erinnerst du dich noch, wie sehr du die früher gemocht hast? Irgendwie ist es mir gelungen, auf dem winzigen Fleckchen Erde, das sich hier in der Gegend Garten schimpft, einen Pflaumenbaum zu ziehen.« Elsie deutete auf die kleine Rasenfläche, die durchs Fenster zu sehen war. »Er macht sich prächtig.«
    Julia musterte Elsie genauer, die längst nicht so alt wirkte, wie sie erwartet hatte. Vielleicht schritt der Alterungsprozess bei jemandem, den ein junger Mensch von Anfang an als »alt«
erachtete, nicht so offensichtlich voran. Julia biss ein Stück von dem Gebäck ab und genoss den vertrauten Geschmack.
    Elsie nickte zufrieden. »Ich wette, das sind die besten Scones, die du je gegessen hast, trotz der feinen französischen Küche, an die du jetzt gewöhnt bist.«
    Julia schmunzelte. »Ja, Oma, du bist die Beste.« Sie bemerkte Elsies Stirnrunzeln.
    »Du hast dich nicht richtig ernährt. Deine Haare sind ganz stumpf.« Sie nahm eine Locke in die Hand und rieb sie zwischen den Fingern. »Strohtrocken. Was du brauchst, sind ein ordentlicher Schnitt und eine Kur. Und dazu was Anständiges in den Bauch. Das sage ich allen meinen Damen: Was Sie in den Mund stecken, landet auf Ihrem Kopf.«
    »Deine Damen?« Julia sah Elsie erstaunt an. »Arbeitest du als Friseuse?«
    »Ja«, antwortete Elsie fröhlich. »Allerdings nur an Donnerstagvormittagen im Altenheim, wo die Herrschaften sowieso nicht mehr viele Haare haben. Ich mach das gern. Endlich habe ich den Beruf, den ich immer wollte.«
    »Hast du denn noch die Perücken?«, erkundigte sich Julia.
    »Nein, die brauche ich nicht mehr; jetzt hab ich ja echte Köpfe. Du hast es wahrscheinlich merkwürdig gefunden, dass ich stundenlang daran herumgefummelt habe, aber sie waren besser als nichts. Lady Crawford hat sich von mir frisieren lassen und manche der Gäste, die nach Wharton Park kamen. Komisch, wie das Leben manchmal so spielt, was?«
    »Ja. Und dir selber geht’s auch gut?«
    »Wie du siehst«, antwortete Elsie mit einem Blick auf ihre breite Taille, »schmeckt mir das Essen. Obwohl mich das Kochen jetzt, wo ich allein bin, mehr Mühe kostet. Deine Großtante ist Anfang letzten Jahres gestorben, seitdem wurstle ich allein hier herum.«

    »Nachträglich noch mein Beileid, Oma.« Julia nahm sich ein zweites Scone vom Teller.
    »Wenigstens musste sie nicht leiden. Sie ist eines Abends ins Bett gegangen und am Morgen nicht mehr aufgewacht. So würde ich auch gern gehen.« Elsie sprach wie viele alte Menschen ganz offen über den Tod. »Weil sie kinderlos gestorben ist, hat sie den Bungalow mir hinterlassen. Diese modernen Gebäude sind schon viel besser als die winzigen, feuchten Cottages von früher. Hier gibt’s immer warmes Wasser für ein Bad, und die Klospülung funktioniert auch.«
    »Es ist wirklich sehr gemütlich«, pflichtete Julia ihr bei. »Fühlst du dich nicht manchmal einsam?«
    »Ach was! Mit dem Frisieren hab ich genug zu tun, und es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht mit Freunden oder Bekannten treffe. Wir waren so isoliert in Wharton, Julia, wo wir uns nur mit den anderen Arbeitern anfreunden konnten. Hier habe ich einen ganzen Ort voller Rentner!«
    »Freut mich, dass du zufrieden bist, Oma. Dann fehlt dir das Leben in Wharton Park also nicht?«
    Elsies Miene verdüsterte sich. »Dein Opa fehlt mir schrecklich, aber nicht das Leben, das ich dort hatte. Vergiss nicht: Ich bin mit vierzehn in den Dienst eingetreten; das hieß um fünf Uhr aus den Federn und um Mitternacht ins Bett, wenn es keine Abendeinladung gab und niemand bei uns übernachtete. So habe ich mehr als fünfzig Jahre meines Lebens verbracht. « Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Julia, ich genieße den Ruhestand. Doch genug von mir.Wie geht’s deinem Dad und deiner Schwester?«
    »Wie immer«, antwortete Julia. »Dad arbeitet nach wie vor wie ein Besessener und will bald zu einem Forschungsprojekt ans andere Ende

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