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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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lediglich Smalltalk kannte. Alle tieferen Gedanken – oder noch schlimmer: Gefühle – wurden von der britischen Gesellschaft mit einem Stirnrunzeln bedacht. Das immerhin hatte sie in dem Club in Poona gelernt.
    Die Unterhaltung mit Adrienne war ihr ein kleiner Trost.
     
    Harry, der von seiner Mutter den Auftrag erhalten hatte, dem jungen »indischen« Mädchen Gesellschaft zu leisten, machte sich artig auf den Weg zu Olivia. Wenige Schritte von ihr entfernt sah er, wie sich ihre Lippen zu einem Lächeln öffneten.
    Plötzlich erwachte ihre kühle, blonde Schönheit zum Leben, und sie begann von innen heraus zu strahlen. Harry, der die körperlichen Reize des anderen Geschlechts normalerweise nicht sofort bemerkte, war klar, dass er eine Frau vor
sich hatte, die seine Offizierskollegen wohl als »atemberaubend« bezeichnet hätten.
    Als sie ihn entdeckte, sagte sie: »Sie müssen Harry sein, von Ihrer Mutter zu mir geschickt, um Konversation zu machen.« Ihre türkisfarbenen Augen blitzten belustigt auf.
    »Ja. Aber ich kann Ihnen versichern, dass es mir ein Vergnügen ist.« Er warf einen Blick auf ihr leeres Glas. »Darf ich Ihnen einen neuen Drink bringen lassen, Miss Drew-Norris? «
    »Ja, gerne.«
    Harry winkte den Butler heran. Olivia stellte ihr leeres Glas aufs Tablett und nahm sich ein frisches. »Glauben Sie bitte nicht, ich hätte ein lockeres Mundwerk. In Wahrheit habe ich Mitleid mit Ihnen, weil Sie mit so vielen Menschen reden müssen, die Sie nicht kennen.«
    Olivia war erstaunt über ihre eigene Direktheit und machte den starken Gin dafür verantwortlich. Sie sah sich Harry, den »attraktiven« Harry, wie Elsie ihn genannt hatte, genauer an: Harry vereinte die besten physischen Eigenschaften beider Elternteile in sich; er hatte die Körpergröße seines Vaters und den feinen Knochenbau sowie die strahlend braunen Augen seiner Mutter geerbt.
    »Ich kann Ihnen versichern, Miss Drew-Norris, dass ich das Gespräch mit Ihnen nicht als lästige Pflicht erachte. Sie sind noch keine siebzig, was natürlich hilft – und in dieser Weltgegend ziemlich ungewöhnlich ist.«
    Olivia lachte über Harrys Schlagfertigkeit.
    » Touché . Obwohl Sie in diesem Smoking aussehen wie Ihr eigener Vater.«
    Harry zuckte gutmütig mit den Schultern. »Miss Drew-Norris, ich glaube fast, dass Sie sich über mich lustig machen. Ist Ihnen nicht klar, dass diesem Land Krieg droht und wir
alle Opfer bringen müssen? Für mich bedeutet das, dass ich den abgelegten Anzug meines Vaters trage, auch wenn er mir drei Nummern zu groß ist.«
    Olivias Miene verdüsterte sich. »Denken Sie wirklich, es gibt Krieg?«
    »Daran besteht kein Zweifel.«
    »Ich bin ganz Ihrer Meinung, aber mein Daddy weigert sich, den Tatsachen ins Auge zu blicken«, erklärte sie.
    »Nach einem Jagdtag mit meinem Vater hat er sicher begonnen, sich mit dem Gedanken vertraut zu machen.«
    »Ich bezweifle sehr, dass man mit Herrn Hitler zu einer friedlichen Lösung gelangen kann«, meinte Olivia. »Er will die Weltherrschaft, und die Hitlerjugend ist offenbar genauso fanatisch wie er.«
    Harry sah sie erstaunt an. »Miss Drew-Norris, Sie scheinen sehr gut informiert zu sein. Das ist für eine junge Dame ziemlich ungewöhnlich.«
    »Finden Sie es unschicklich für Frauen, über Politik zu diskutieren? «
    »Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil: Ich finde es ausgesprochen erfrischend. Die meisten Mädchen interessieren sich nicht für solche Fragen.«
    »Ich hatte das Glück, in Indien von einem Mann unterrichtet zu werden, der überzeugt davon war, dass Frauen ebenso viel Anspruch auf eine Ausbildung haben wie Männer.« Olivias Blick wurde traurig. »Er hat mir die Welt erklärt und mir meine eigene Bedeutung darin bewusst gemacht.«
    »Hört sich ganz so an, als würde der Mann sein Leben in Poona vergeuden. Wenn ich in Eton doch nur auch solche Anregungen bekommen hätte. Ich konnte es gar nicht erwarten, dort fertig zu werden.« Harry zündete sich eine Zigarette an. »Haben Sie vor, Ihre Bildung weiter voranzutreiben?«

    Olivia schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich weiß nicht, wie Mummy und Daddy auf einen solchen Vorschlag reagieren würden. Vermutlich wären sie ziemlich überrascht: ›Was! Ein Blaustrumpf in der Familie?‹ Nein, ich werde wohl verheiratet werden, vorausgesetzt natürlich, dass mich jemand haben will.«
    »Miss Drew-Norris, ich versichere Ihnen, dass das kein Problem darstellen wird.«
    Sie sah ihn an. »Auch dann nicht, wenn ich es

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