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Orchideenhaus

Orchideenhaus

Titel: Orchideenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Riley
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Park von seinem Vater übernahm – hilflose Lebewesen umzubringen, verursachte ihm Übelkeit.
    Harry kämpfte mit seinen Manschettenknöpfen – sein Kammerdiener half dem älteren Major beim Anziehen – und rückte dann vor dem Spiegel seine Fliege zurecht. Dabei überlegte er, wie viele andere Menschen wohl das Gefühl hatten, ins falsche Leben hineingeboren worden zu sein. In dem seinen war die Pflicht oberstes Gebot. Obwohl all jene, die ihm zu Hause und in seinem künftigen Regiment unterstanden, ihn vermutlich beneideten, hätte Harry liebend gern mit jedem von ihnen getauscht.
    Er wusste, dass niemand sich wirklich für seine Gefühle interessierte; sein Leben war bereits vor seiner Zeugung vorgezeichnet gewesen. Er stand für Kontinuität, daran ließ sich nichts ändern.
    Wenigstens waren die beiden Jahre der Hölle in Sandhurst zu Ende. Er hatte zwei Wochen Heimaturlaub, bevor er sich dem 5th Royal Norfolk’s, dem alten Regiment seines Vaters, in seiner Funktion als Offizier anschloss. Lord Christopher Crawford, der den für ihn höchsten möglichen Rang erreicht hatte, arbeitete nun als Regierungsberater in Whitehall.
    Man munkelte, es würde Krieg geben … Der Gedanke daran ließ Harry in kalten Schweiß ausbrechen. Chamberlain tat sein Bestes, und alle hofften auf eine friedliche Lösung, doch weil Harrys Vater die Fakten kannte und nicht auf Gerüchte von der Straße angewiesen war, wusste Harry, dass es dazu wahrscheinlich nicht kommen würde. Sein Vater behauptete, der Krieg würde innerhalb eines Jahres ausbrechen, und Harry glaubte ihm.

    Harry war kein Feigling und hatte kein Problem mit dem Gedanken, sein Leben für sein Land zu opfern. Die Kampfeslust seiner Offizierskollegen, die sich darauf freuten, den Krauts einen Denkzettel zu verpassen – ein Euphemismus für Tod und Zerstörung im großen Stil –, teilte er jedoch nicht.
    Er behielt seine pazifistische Einstellung für sich, weil sie im Offizierskasino nicht auf viel Gegenliebe stieß. Nachts lag er oft auf seiner schmalen Pritsche wach und fragte sich, ob er, konfrontiert mit einem Kraut, tatsächlich in der Lage wäre abzudrücken, um die eigene Haut zu retten.
    Er wusste, dass es genug andere gab, die genauso dachten wie er. Nur hatten sie keinen bekannten, hochrangigen General als Vater und auch keine zweihundertfünfzigjährige Familiengeschichte des Heroismus.
    Harry war seit Langem klar, dass die Gene seines Vaters sich bei ihm nicht durchgesetzt hatten. Seine Persönlichkeit ähnelte der seiner sanftmütigen, künstlerisch begabten Mutter Adrienne weit mehr. Allerdings leider auch in seiner Neigung zu unvermittelten Depressionen, in denen sich die Welt schwarz färbte und Harry sich abmühte, einen Sinn im Leben zu erkennen.
    Seine Mutter nannte diese Phasen ihr petit mal und zog sich für gewöhnlich ins Bett zurück, bis sie überwunden waren. Als Offizier der Armee bot sich Harry diese Möglichkeit nicht. Sein mangelndes Interesse an militärischen Dingen war in Unterhaltungen mit seinem Vater nie Thema gewesen. Letztlich beschränkten sich ihre Gespräche auf ein fröhliches »Guten Morgen« oder »Scheint ein schöner Tag zu werden« oder »Sag doch bitte Sable, er soll mir einen Scotch einschenken, ja?«
    Sein Vater hätte jeder der befehlshabenden Offiziere in Sandhurst sein können. Seine Mutter kannte natürlich Harrys
Einstellung dem Leben und seiner Zukunft gegenüber, wusste aber, dass ihr die Hände gebunden waren. Folglich redeten sie nicht darüber.
    Immerhin hatte sie ihm das ermöglicht, was ihm Trost spendete, und dafür würde er ihr ewig dankbar sein. Als Harry sechs war, hatte Adrienne gegen den Willen seines Vaters einen Klavierlehrer für ihn eingestellt, der Harry an den Tasten des Instruments so etwas wie Lebensfreude vermittelte.
    Inzwischen war er zu einem sehr guten Pianisten herangereift. Zum Teil deshalb, weil er sich in der Schule im Musiktrakt oder zu Hause im Salon beschäftigen konnte, ohne dass jemand ihn störte.
    Sein Musiklehrer in Eton, der seine Begabung erkannte, hatte ihm geraten, sich um die Aufnahme ins Royal College of Music zu bewerben, doch sein Vater hatte sich geweigert, sich mit dem Thema zu befassen. Der Junge würde Sandhurst besuchen. Klavierspielen war etwas für Dilettanten und kein Beruf für den künftigen Lord Crawford.
    Das war das Ende des Themas gewesen.
    Harry hatte weiterhin so viel wie möglich zu üben versucht, obwohl seine Auftritte in Sandhurst sich darauf

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