Orchideenhaus
schienen.
Ihr Wagen war Teil einer langen Schlange, die in den Innenhof des Palastes einfuhr. Am meisten Angst hatte sie beim Hinaufschreiten der breiten Treppen, vorbei an den Palastbediensteten mit ihren gepuderten Perücken, davor, dass sie ihr weißes Kleid und die Glacéhandschuhe schmutzig machen würde.
Obwohl sie selbst ihre Präsentation als relativ unwichtigen Moment ihres Lebens erachtete, konnte sie sich nicht einer gewissen Nervosität erwehren, als sie in einem Vorzimmer darauf wartete, dem Königspaar vorgestellt zu werden.
»Was für eine Farce!«, schnaubte eine auffallend dünne junge Frau mit schwarzen Haaren, die das trug, was Olivias Großmutter als unangemessenen Lippenstift bezeichnet hätte. »Welche Nummer hast du?«
»Sechzehn.«
»Mein Gott, wie langweilig das alles ist«, gähnte Nummer siebzehn. »So schrecklich altmodisch.«
Weil Olivia in den folgenden zwei Minuten im Thronsaal erwartet wurde, schenkte sie ihr keine Beachtung und versuchte, sich auf ihre Pflicht zu konzentrieren.
Hinterher waren die Mädchen bedeutend entspannter. Olivias Präsentation war gut gelaufen, ohne dass sie gestolpert und dem Königspaar vor die Füße gefallen wäre. Jetzt plapperten die jungen Frauen fröhlich drauflos und machten sich über das Büfett von Lyons her. Sie schienen einander alle zu kennen, so dass Olivia abseits stand und sich fehl am Platz fühlte.
»Kopf hoch, wir haben’s fast geschafft«, flüsterte eine Stimme neben ihr. »Ich bin’s, Venetia Burroughs. Und du?«
Die Nummer siebzehn. »Olivia Drew-Norris«, antwortete Olivia.
»Puh! Ich brauche unbedingt eine Zigarette«, stellte Venetia fest. »Wann, glaubst du, lassen sie uns hier raus?« Venetia warf die langen, pechschwarzen Haare zurück, die, anders als die von Olivia und den meisten anderen Mädchen, nicht hochgesteckt waren.
»Keine Ahnung. Ich würde ja auf die Uhr schauen, aber es ist so mühsam, die Handschuhe auszuziehen«, antwortete Olivia.
Venetia hob die Augenbrauen. »Allerdings.« Sie ließ den Blick über den Raum schweifen. »Wir sehen alle ein bisschen wie Draculas Braut aus, findest du nicht?«
Olivia schmunzelte. Venetia war offenbar eins der » frivolen« Mädchen, vor denen ihre Großmutter sie gewarnt hatte. Olivia war fasziniert.
»Egal. Ich genehmige mir einfach eine.« Venetia holte eine Zigarette aus ihrer Abendhandtasche und zündete sie an.
»Ah, das tut gut«, seufzte sie und stieß den Rauch deutlich sichtbar aus.
Olivia beobachtete nervös, wie die Köpfe der in der Nähe stehenden Mädchen sich in ihre Richtung wandten.
Venetia zuckte mit den Achseln. »Was wollen sie denn machen? Mich verhaften und in den Tower werfen? Der König raucht selber wie ein Schlot. Möchtest du auch eine?« Sie hielt Olivia das Etui hin.
»Nein danke.«
»Rauchst du nicht, oder kannst du’s nicht leiden?«, fragte Venetia. »Wo kommst du her? Ich hab dich bei keiner der Tanz- oder Lunchveranstaltungen vor der Saison gesehen.«
»Aus Indien.«
»Ach, wie exotisch.« Venetia musterte Olivia von oben bis unten. »Weißt du, du bist sehr hübsch. Eigentlich müsstest du einen guten Fisch fangen diese Saison. Ich würde sagen, du gehörst zu den attraktivsten fünf.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemanden fangen will«, gestand Olivia.
Venetia sah sie bewundernd an. »Tatsächlich? Was machst du dann hier?«
»Das Gleiche wie du, vermute ich«, antwortete Olivia. »Wir tun das, was unsere Mütter vor uns getan haben, und halten die Tradition aufrecht.«
Venetia nickte. »Aber ich habe vor, mir sehr viel mehr Spaß zu gönnen, als meiner Mutter seinerzeit erlaubt war. Und ähnlich wie du bin ich nicht gerade versessen darauf, verkuppelt zu werden.« Sie zuckte mit den Achseln. »Mein Motto lautet: Wenn’s schon sein muss, versuche ich wenigstens, so viel Freude wie möglich dran zu haben.«
Jetzt gesellte sich eine hübsche, dunkelhaarige junge Frau mit strahlenden Augen zu ihnen, deren Kleid eher nach Pariser Couture als nach den englischen Privatschneiderinnen aussah, bei denen die meisten anderen Mädchen ihre Kleider hatten anfertigen lassen.
»Hallo.« Die junge Frau umarmte Venetia. »Bitte sei ein Schatz und lass mich an deiner Zigarette ziehen.«
»Du kannst sie fertigrauchen, Kick.«
Die schöne Amerikanerin lachte. »Danke. Gehst du anschließend noch ins Ritz? Ein paar von uns brechen in zwanzig Minuten auf. Daddy hat gesagt, er schaut später auch vorbei.«
»Vielleicht. Kommt
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