Orchideenhaus
warten. Einverstanden, Miss?«
»Ja.« Olivia nickte. »Danke, Elsie.«
Elsie hob das Brautkleid vom Boden auf, legte es über den Arm und ging zur Tür, wo sie sich mit einem scheuen Lächeln zu Olivia umdrehte. »Ich verspreche Ihnen, es ist nicht so schlimm, wie Sie vielleicht befürchten. Bis morgen, Miss Olivia. Gute Nacht.«
Ein wenig ruhiger setzte Olivia sich wieder in den Sessel, um auf Harry zu warten. Zehn Minuten später legte sie sich gähnend ins Bett. Wo blieb er nur? Sie konnte ja wohl kaum das Zimmer verlassen und nach ihm suchen.
Eine halbe Stunde später war er immer noch nicht da. Der Tag hatte Olivia so müde gemacht, dass sie die Augen schloss und einschlief.
Irgendwann in der Nacht hörte sie die Tür aufgehen und spürte, wie die Matratze nachgab, als Harry sich neben sie legte. Voller Anspannung wartete sie, ob er sich zu ihr herüberbeugen und sie berühren würde. Wenig später begann er leise zu schnarchen.
Am folgenden Morgen wachte Olivia mit einem unguten Gefühl auf. Sie war davon überzeugt, dass die vergangene Nacht nicht so verlaufen war, wie sie es hätte sollen.
Da Harry neben ihr tief und fest schlief, schlüpfte sie aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen ins Zimmer nebenan. Ihre privaten Gemächer umfassten ein Bad, einen Schlaf-und Wohnraum sowie jeweils ein Ankleidezimmer für jeden von ihnen. In dem ihren befand sich ein Schrank, in dem von Harry ein schmales Bett.
Olivia wusste, dass es für Eheleute als normal erachtet wurde, in getrennten Zimmern zu schlafen, auch wenn ihre Eltern sich diesen Luxus in dem kleinen Haus in Poona nicht
hatten erlauben können. Sie setzte sich auf das schmale Bett und überlegte, ob Harry die Nacht lieber hier verbracht hätte.
Sie kleidete sich hastig an, weil der Gedanke, dass Harry hereinplatzen und sie halb nackt sehen könnte, sie beunruhigte. Als sie leise ins Schlafzimmer zurückkehrte, schlief Harry noch immer. Sie verharrte, unsicher darüber, was sie tun sollte, an der Tür. Wenn sie nach unten ging, würde sie fragende Blicke ernten, warum sie am ersten Morgen ihres Ehelebens so früh auf den Beinen war. Und wenn sie blieb, musste sie sich auf eine peinliche Begegnung mit Harry gefasst machen.
Die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als Harry sich zu regen begann.
Er rieb sich die Augen und begrüßte sie mit einem Lächeln. »Hallo, Schatz, hast du gut geschlafen?«
Sie zuckte stumm mit den Achseln; die Verzweiflung stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Er breitete die Arme aus. »Komm her und lass dich umarmen. «
Olivia rührte sich nicht von der Stelle.
»Bitte komm, Schatz. Ich beiße nicht.«
Sie setzte sich vorsichtig auf die Bettkante.
»Wahrscheinlich fragst du dich, wo ich gestern Abend abgeblieben bin, oder?«
»Ja.«
»Ich bin auf dem Flur ein paar Kumpels begegnet, die zur Feier des Tages noch einen Brandy mit mir trinken wollten. Da ich wusste, dass du müde bist, habe ich dich schlafen lassen. « Er griff nach ihrer Hand und drückte sie. »Schatz, du bist verstimmt, nicht wahr?«
»Natürlich, Harry! Es war schließlich unsere Hochzeitsnacht! «, rief sie aus, unfähig, ihre Frustration noch länger zu verbergen.
»Es tut mir leid.« Er setzte sich auf und streichelte ihren Rücken. »Schatz, wir haben noch viel Zeit, einander kennenzulernen. Wir sind nicht in Eile.«
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte sie, alles andere als überzeugt. »Ich möchte nur nicht, dass irgendjemand davon erfährt.«
»Von mir erfährt niemand was, das verspreche ich dir. Gehen wir’s einfach langsam an, ja?«
Irgendwie überstand Olivia den Tag, indem sie sich mit allerlei Dingen beschäftigte, neugierigen Fragen von Venetia und Adrienne auswich und versuchte, so zufrieden und erfüllt auszusehen wie eine junge Braut.
Am Abend, als alle Gäste sich verabschiedet hatten, trat Harry ins Schlafzimmer, setzte sich aufs Bett und nahm Olivias Hand.
»Schatz, ich glaube, es ist besser, wenn ich heute Nacht in meinem Ankleidezimmer schlafe. Ich muss morgen sehr früh aufstehen und möchte dich nicht wecken.« Er küsste sie auf die Wange und stand auf. »Gute Nacht, schlaf gut.«
Olivia lag bis zum Morgen wach. Nun wusste sie sicher, dass etwas nicht stimmte.
21
In den zwei Wochen vor Weihnachten versuchte Harry nicht, sich Olivia im Schlafzimmer zu nähern. Sie sah ihren Mann kaum. Manchmal kam er erst nach Mitternacht nach Hause, schlief ein paar Stunden in seinem Ankleidezimmer und war am folgenden
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