Orchideenhaus

»Olivia, ich möchte, dass du hier bei mir in Wharton Park bleibst.«
    »Ich … Harry … Ich kann nicht«, stotterte sie.
    »Warum nicht?«
    »Was soll ich denn in Wharton machen? Ich muss nach London und mich zum Kriegsdienst melden.«
    »Olivia, auch in Norfolk kann man unserem Land nützen.«
    »Harry, darum geht’s nicht. Ich …«
    »Heirate mich.«
    Sie starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
    Harry kniete nieder und nahm ihre Hände in die seinen. »Olivia, ich weiß nicht, welche Gefühle du für mich hegst, aber wenn du meine Gesellschaft ertragen könntest, würde ich dich bitten, den Rest deines Lebens hier in Wharton Park zu verbringen.«
    Endlich gelang es Olivia, etwas zu sagen. »Entschuldige,
Harry, ich bin völlig aus der Fassung. Ich hatte nicht den Eindruck, dass du« – sie schluckte – »etwas für mich empfindest. Wie kommt das so plötzlich?«
    »Vielleicht sind mir meine Gefühle erst bei einem Gespräch mit meiner Mutter gestern Abend klar geworden und als ich dich heute Morgen beim Packen gesehen habe. Bitte sag ja. Ich verspreche dir, für dich zu sorgen und dich zu ehren, soweit es in meinen Fähigkeiten steht. Gemeinsam können wir Wharton Park für die nächste Generation sichern.«
    Da flammte all die Liebe, die sie so verzweifelt zu unterdrücken versucht hatte, wieder auf.
    »Bitte sag ja, bevor meine Kniescheiben auf dem Kies kaputt gehen«, scherzte er mit einem jungenhaften Grinsen. »Bitte?«, wiederholte er.
    Olivia kam zu dem Schluss, dass es keinen Grund gab, seinen Antrag auszuschlagen. Sie liebte ihn. Alles andere war nebensächlich.
    »Ja, Harry«, antwortete sie. »Ich heirate dich.«
    Er erhob sich, nahm sie in die Arme und küsste sie noch einmal. »Schatz, du machst mich sehr glücklich. Lass uns zu meiner Mutter gehen. Ich kann es nicht erwarten, es ihr zu sagen.«
     
    Erst später, als sie, erschöpft von den Ereignissen des Tages und der kleinen Champagnerfeier mit Adrienne, im Bett lag, merkte Olivia, dass Harry nicht von Liebe gesprochen hatte.

20
    Die Hochzeit von Harry Crawford und Olivia Drew-Norris war für Anfang Dezember geplant. Harry hielt sich mit seinem Bataillon an der Küste von Norfolk auf, wo seine Männer
die ungeschützte Küste sichern, Beobachtungsposten und Stacheldrahtbarrikaden errichten sowie Minen verlegen sollten. Das würde bis mindestens Januar dauern, bis neue Befehle an sie ergingen. Da andere Bataillone bereits nach Übersee beordert worden waren, dankten Harry und alle in Wharton Park, die Angehörige bei den 5th Royal Norfolk’s hatten, dem Schicksal für die Aufschiebung des Todesurteils.
    Adrienne hatte Olivia geraten, mit der Verpflichtung bei den Wrens bis nach der Hochzeit zu warten. »Dann ist immer noch Zeit, ma chérie . Jetzt solltest du dich erst einmal darauf konzentrieren, Braut und zukünftige Lady Crawford zu sein! Freue dich mit mir an den Vorbereitungen.«
    Die bevorstehende Hochzeit forderte Adriennes ganze Energie und verhinderte dramatische Stimmungsschwankungen. Trotz der bedenklicher werdenden Nachrichten aus dem Ausland war sie entschlossen, die Feier so schön wie nur irgend möglich zu gestalten.
    Olivia kam sich vor wie am Anfang der Saison; wieder wurde sie von einer Schneiderin an die nächste weitergereicht, und ein London-Ausflug mit Adrienne bescherte ihr ein Couture-Kleid von Norman Hartnell persönlich. Außerdem mussten die Gästelisten für die Verlobungsfeier sowie die Hochzeit erstellt und die Einladungen verschickt werden. Ein gesellschaftliches Ereignis dieser Größenordnung erforderte für gewöhnlich ein Jahr Planung, doch gemeinsam hatten Olivia und Adrienne alles im Griff.
    Olivias Eltern, die ganz aus dem Häuschen waren, verbrachten zur Feier des Tages ein Wochenende in Wharton Park. Nach dem Abendessen hielten Olivias Vater und Christopher Reden, in denen sie ihre Freude über die Verbindung der beiden jungen Leute ausdrückten.
    Olivia hatte fast Mitleid mit ihrer Mutter, die erneut um
die Planung des Ereignisses gebracht wurde, dies jedoch mit ihrer üblichen Gelassenheit hinnahm und Olivia gegenüber bemerkte, zum Glück kämen Lord und Lady Crawford für alles auf, denn Daddys Pension vom Militär hätte nicht einmal für die Kleider der Brautjungfern gereicht.
     
    Am Vorabend der Vermählung fand in Wharton Park ein Dinner für Freunde und enge Verwandte beider Familien statt. Venetia reiste mit ihrer und Olivias Clique aus London an. Sie beobachtete von Olivias