Orchideenhaus
angeschlagen.«
»Wahrscheinlich«, pflichtete Julia ihr bei. »Danke für die Suppe. Nett von dir, sie mir zu bringen.«
»Nicht der Rede wert. Bedank dich lieber bei Kit. Er war einfach phantastisch. Weil er wusste, dass ich wegen der Kinder nicht immer da sein konnte, hat er sich erboten, bei dir zu bleiben. Ich war sozusagen nur seine Assistentin.«
»Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich euch solche Umstände gemacht habe.« Julia seufzte. »Im Moment scheine ich für so was prädestiniert zu sein, was?«
»Schluss mit dem Selbstmitleid«, rügte Alicia sie. »Man kann nichts dafür, wenn man krank wird. Du bist uns wichtig, und wir wollten uns um dich kümmern. Außerdem hoffe ich, dass du mir, wenn du dich ein bisschen erholt hast, erzählst, was Oma über das Tagebuch sagt.«
Julia nickte. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit, dass sie bei Elsie in Southwold gewesen und mit ihr ins Wharton Park des Jahres 1939 zurückgereist war. »Klar. Eine packende Geschichte. «
»Ich kann’s kaum erwarten, alles zu erfahren. Soll ich dir morgen etwas vorbeibringen? Worauf hast du Appetit?«, erkundigte sich Alicia.
»Nicht viel.« Alicia schüttelte den Kopf. »Was anderes als Suppe krieg ich noch nicht runter. Und vielleicht irgendwann mal wieder ein Stück Brot.«
»Ich backe dir einen frischen Laib«, versprach Alicia. »Kit braucht auch was zu essen. Ich bringe das Brot morgen vorbei. « Sie beugte sich vor, um Julia einen Kuss zu geben. »Schön, dass es dir besser geht, Liebes. Weiter so.«
»Ich gebe mir Mühe«, sagte Julia und winkte Alicia matt nach, als diese das Zimmer verließ.
Alicia ging nach unten, wo Kit gerade ein Feuer im Kamin entfachte.
»Sie macht gute Fortschritte. Das hat sie Ihnen zu verdanken. Sie waren wirklich ein Schatz, Kit.«
»Keine Ursache. Ein Gläschen Wein, bevor Sie uns verlassen? «
Alicia warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ja. Eigentlich sollte ich nach Hause, aber Max schafft das mit den Kindern schon.«
»Prima.« Als das Feuer im Kamin zu lodern begann, richtete Kit sich auf. »Ich hole uns Gläser.«
Alicia setzte sich in den Sessel beim Kamin, während Kit eine Flasche hereinbrachte, sie entkorkte, ein Glas einschenkte und es Alicia reichte.
»Zum Wohl«, sagte er und hob das seine. »Auf Julias Genesung. «
»Ja. Die Arme hat in letzter Zeit viel durchmachen müssen. «
»Das habe ich gemerkt. Darf ich fragen, was genau passiert ist?«
Alicia nahm einen Schluck Wein. »Julias Mann und Sohn sind letzten Sommer in Südfrankreich bei einem Verkehrsunfall gestorben. Ihr Wagen ist von der Straße abgekommen, am Fuß eines Hügels explodiert und hat einen Waldbrand ausgelöst. Ihre sterblichen Überreste konnten nicht identifiziert werden. Das bedeutet, dass der Fall für sie nicht abgeschlossen ist. Keine Leichen, kein Begräbnis.«
»O je«, stöhnte Kit. »Arme Julia.Wie alt war ihr Sohn?«
»Fast drei. Er hieß Gabriel und war« – Alicia traten die Tränen in die Augen – »ein Engel. Den Ehemann zu verlieren, ist schrecklich, aber auch noch das Kind … Keine Ahnung, wie Julia das verkraftet. Sie lässt niemanden an sich heran und vergräbt sich in ihrem Kummer. Ich komme mir so … überflüssig vor und weiß nicht, was ich sagen oder tun soll. Entschuldigung. « Alicia wischte sich die Tränen weg. »Eigentlich steht es mir nicht zu zu weinen. Es ist Julias Tragödie. Wie soll ich ihr nur helfen oder sie trösten?«
»Das geht nicht.« Kit schenkte Alicia nach. »Alle wollen ihr helfen, doch das ist unmöglich. Allein schon das Angebot erzeugt ein so schlechtes Gewissen beim Betroffenen, dass er es nicht annehmen kann, und Druck, über seinen Kummer hinwegzukommen. Das schafft er natürlich auch nicht und zieht sich noch weiter zurück.« Kit blickte ins Feuer. »Alicia, glauben Sie mir: Sie können zwar für Julia da sein, aber helfen kann sie sich nur selbst.«
»Das klingt, als wüssten Sie, wovon Sie sprechen.«
»Ja. Sie müssen ihr Zeit lassen. Meiner Ansicht nach ist sie auf einem guten Weg. Julia besitzt einen starken Überlebenswillen, Alicia. Sie wird die Krise bewältigen, da bin ich mir sicher.«
»Das Problem ist nur, dass Julia ihren Mann Xavier abgöttisch geliebt hat. Ich persönlich«, gestand Alicia, »fand ihn eher eingebildet und arrogant. Er war auch Pianist, eine richtige Primadonna, und Julia hat sich seinen Bedürfnissen untergeordnet, obwohl er längst nicht so viel Talent besaß wie sie. Vermutlich lässt sich über
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