Orchideenhaus
dafür, wie viel Zeit vergangen war. Sie spürte nur, dass es ihr etwas besser ging, sie wieder deutlich sah und die Gliederschmerzen nachgelassen hatten.
Da sie Druck auf der Blase spürte, schob sie mit zitternder Hand das Oberbett zurück und stand auf. Sie schaffte es bis zur Schlafzimmertür, wo sie vor Schwäche auf den Boden sank.
Da hörte sie Schritte auf der Treppe und ein Klopfen an der Tür.
»Julia? Alles in Ordnung?«
Als die Tür aufging, berührte sie Julias Knie. Mit Mühe gelang es ihr, ein wenig wegzurutschen, so dass Kit den Raum betreten konnte.
»Was machst du denn auf dem Boden?«, fragte er und legte ihr die Hand auf die Stirn.
»Ich wollte zur Toilette«, murmelte sie verlegen.
»Hm. Wenigstens scheinst du kein Fieber mehr zu haben. Komm, ich helf dir auf die Beine.«
Julia blieb nichts anderes übrig, als sich von Kit auf die Füße stellen und wie eine Schwerkranke über den Treppenabsatz zur Toilette führen zu lassen.
Als er Anstalten machte, sie hineinzubegleiten, sagte sie: »Ich komme schon zurecht, danke.«
»Ich warte hier. Dann kann ich dir helfen, wenn du fertig bist. Und sperr die Tür nicht zu, für den Fall, dass du in Ohnmacht fällst.«
»Ja, danke«, murmelte Julia und schloss die Toilettentür hinter sich.
Als sie wieder herauskam, trat Kit, der sich diskret zum Schlafzimmer zurückgezogen hatte, sofort zu ihr und half ihr zum Bett.
Sobald sie lag, setzte Kit sich auf die Bettkante. »Doktor Crawford stellt fest, dass seine Patientin über den Berg ist«, erklärte er lächelnd, nahm ein Glas vom Nachtkästchen und hielt es ihr an die Lippen. »Bitte trinken Sie das, Miss Forrester. Es enthält jede Menge Glukose und sorgt dafür, dass Sie wieder zu Kräften kommen.«
Julia wurde fast übel von dem süßen Getränk. »Igitt«, sagte sie. »Widerlich.« Sie ließ den Kopf in die Kissen sinken. »Was für ein Tag ist heute?«
»Ich glaube Donnerstag, weil gestern Mittwoch war.«
Julia schnappte nach Luft. »Heißt das, ich war drei Tage im Bett?«
»Ja, Miss Forrester. Und Sie haben darin getobt wie eine Wahnsinnige.«
Julia wurde rot. »Mein Gott, Kit, tut mir leid. Warst du etwa die ganze Zeit über hier?«
»Nein. Alicia konnte wegen der Kinder nicht bleiben. Natürlich hätte ich dich zu den alten Leuten ins Cottage-Hospital stecken können, aber das erschien mir zu grausam.«
»Ach, Kit«, stöhnte Julia. »Für mich die Krankenschwester zu spielen, bei allem, was du sonst noch um die Ohren hast, war nun wirklich das Letzte, was du brauchst.«
»Um die Wahrheit zu sagen: Es war eine prima Ausrede, um mal ein paar Tage aus Wharton Park rauszukommen. Außerdem habe ich drei Jahre Medizin in Edinburgh studiert, wenn auch ohne Abschluss.Vielleicht beruhigt es dich zu hören, dass du dich nicht in den Händen eines völligen Laien befunden hast.«
»Danke …« Julia fielen die Augen zu.
Kit strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn, ging auf Zehenspitzen zur Tür und schloss sie leise hinter sich.
25
Am Abend war Julia wieder in der Lage, sich im Bett aufrecht hinzusetzen und ein wenig Suppe aus der Schale zu schlürfen, die Kit ihr hinhielt.
»Gut, nicht?«, fragte er, als er sie fütterte. »Alicia hat sie vorbeigebracht. Sie sagt, sie besucht dich heute Abend. Dann kann Max auf die Kinder aufpassen, während sie weg ist. Sie macht sich große Sorgen um dich. Das tun wir alle.«
»Du kannst wirklich nach Hause«, sagte Julia schuldbewusst. »Mir geht’s schon viel besser.«
»Wie bitte?« Kit hob eine Augenbraue. »Soll ich etwa auf die erste sinnvolle Unterhaltung mit dir seit vier Tagen verzichten? « Er schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, du wirst dich mit meiner Gesellschaft abfinden müssen, bis du wieder auf den Beinen bist.«
Da klopfte es an der Haustür. »Das wird Alicia sein. Willst du sie sehen?«
»Ja! Ich hab dir doch gesagt, dass ich mich besser fühle.«
»Okay.« Kit ging zur Tür. »Ich lass deine Schwester herein.«
Wenige Sekunden später stand Alicia vor ihr.
»Julia! Gott sei Dank geht’s dir wieder gut! Wir haben uns alle solche Sorgen um dich gemacht.« Sie trat ans Bett, beugte sich über sie und nahm sie in den Arm. »Wie fühlst du dich?«
»Besser.« Julia nickte. »Deutlich besser.«
Alicia setzte sich auf die Bettkante und umschloss Julias Hand mit der ihren. »Ich bin ja so froh. Du warst ganz schön krank, du Arme. Wahrscheinlich ist dein Immunsystem nach … deinen traumatischen Erfahrungen
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