Orchideenhaus
Plötzlich wurde ihr heiß, und sie fühlte sich unbehaglich.
»Bitte nicht, Kit«, flüsterte sie. »Das packe ich nicht.«
»Du misstraust mir, stimmt’s? Wegen Annie und dem Baby?«
»Sorry.«
»So was kann nur mir passieren!«, rief Kit aus, stand auf und begann, in dem kleinen Raum auf und ab zu marschieren. »Da empfinde ich nun zum ersten Mal seit Milla wirklich etwas und verderbe es gleich wieder. Entschuldige. Na, was habe ich dir über meinen Hang zum Selbstmitleid erklärt?
Ausreden, nichts als Ausreden. Julia, ich muss dir etwas gestehen … Ich glaube, ich liebe dich. Das wurde mir klar, als ich mich während deiner Krankheit um dich gekümmert habe, ohne dass ich mich innerlich dagegen gesträubt hätte. Zum ersten Mal seit Jahren habe ich in einer solchen Situation nicht Reißaus genommen. Es war ein … erstaunliches Gefühl!«
Julia wollte etwas sagen, doch Kit kam ihr zuvor.
»Natürlich hat Annie es als Erste gemerkt, die Zeichen richtig gedeutet und gegrinst, als ich ständig von dir redete … Und sie hat mich gedrängt, dir meine Gefühle zu gestehen. Ich war der Ansicht, dass du noch nicht so weit bist, aber sie meint, du würdest schon damit zurechtkommen.«
»Ich bin noch nicht bereit, Kit.« Die Worte waren heraus, bevor Julia sie zurückhalten konnte. Julia biss sich auf die Lippe.
Kit senkte den Blick. »Okay.« Er räusperte sich. »Geschieht mir vermutlich recht. Das ist übrigens kein Selbstmitleid, sondern die Wahrheit. Scheiße! Egal, ich werde dich jedenfalls in Ruhe lassen.«
»Es tut mir leid.… Ich kann einfach nicht.«
»Das verstehe ich.« Kit schob die Hände in die Taschen, ging zur Tür, kehrte zu Julia zurück und holte tief Luft. »Noch eins: Falls du dich jemals in der Lage fühlen solltest, es mit mir zu wagen, verspreche ich dir, für dich da zu sein.«
»Danke, Kit.«
»Weißt du, was merkwürdig ist? Du warst immer da.«
Julia bekam feuchte Augen.
»Du weißt, wo du mich finden kannst«, sagte Kit. »Versuch, für mich auf dich aufzupassen, ja? Auf Wiedersehen.«
Die Tür schloss sich hinter ihm.
30
Am folgenden Morgen ging Julia erschöpft von einer schlaflosen Nacht die Treppe hinunter, um auf das Taxi zu warten. Die Hände um einen Becher Kaffee gewölbt, starrte sie in den kalten, mit Asche gefüllten Kamin. In ihrem Gehirn herrschte Leere; sie war nicht in der Lage, das zu verarbeiten, was Kit ihr am vergangenen Abend gesagt hatte.
Nein. Julia gebot sich selbst Einhalt. Vielleicht würde sich in Frankreich Gelegenheit ergeben, über alles nachzudenken und sich mit den Gefühlen auseinanderzusetzen, die sich in ihr regten.
Sie konnte einfach nicht zulassen, dass sie sich wieder verliebte.
Als Julia hörte, wie sich Schritte der Haustür näherten, stand sie auf und nahm die Tasche. Es war der Briefträger. Sie stellte die Tasche wieder ab und begrüßte ihn: »Gut, dass ich Sie noch sehe. Ich reise nach Frankreich ab und habe einen Nachsendeauftrag gestellt …«
»Alles klar, Miss Forrester. Ich bringe die Briefe, die vielleicht noch kommen, zum Postamt zurück und sorge dafür, dass sie Ihnen nach Frankreich geschickt werden.« Er reichte ihr einen Umschlag, in dem sich offensichtlich eine Rechnung befand, sowie ein cremefarbenes Kuvert, in einer Handschrift an sie adressiert, die sie nicht kannte.
»Danke.«
» Bon voyage , Miss Forrester.«
Julia schloss die Tür, setzte sich aufs Sofa und öffnete den cremefarbenen Umschlag.
FLUGHAFEN HEATHROW
American Airways Abflughalle
Montag, 16. März
Liebe Julia,
In Eile!
Ich heiße Annie; wir haben uns vor ein paar Wochen kennengelernt. Von Kit habe ich erfahren, welchen Schmerz Sie durchleiden mussten. Auch er hat Schmerz erlebt. Er versteht Sie und wird alles tun, Ihnen bei der Genesung zu helfen, weil er sich – zum ersten Mal seit Jahren – verliebt hat. Sie brauchen keinerlei Zweifel an ihm zu haben. Ich schwöre Ihnen: Er gehört ganz und gar Ihnen!
Ich selbst bin auf dem Sprung in ein neues Leben; das habe ich hauptsächlich Kit zu verdanken. Er war einfach wunderbar – immer für mich da, wenn niemand sonst sich um mich kümmern konnte. Er ist wirklich ein guter Mensch. Vor meiner Abreise möchte ich nun meinerseits etwas für ihn tun. Das Leben ist kurz. Wir denken heutzutage zu viel nach und analysieren alles. Vergessen Sie Ihre Gedanken, folgen Sie Ihrem Herzen. Ich habe es getan und fühle mich sehr glücklich!
Schmerz lässt sich nur durch Liebe heilen. Und die, meine
Weitere Kostenlose Bücher