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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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in sein rechtes Auge bohrte. Er drehte sich auf den Rücken und sah an die Zimmerdecke des Hotels, die ein großer hässlicher Wasserfleck in Form eines deformierten Herzens schmückte. Wie passend dachte er und schwang sich aus dem Bett.
    Frisch rasiert und geduscht saß er eine halbe Stunde später mit Germain, frisch gemahlenem Kaffee und duftenden Croissants in einem leicht verdunkelten Raum des französischen Kommissariats und sah sich die schwarz-weiß Aufzeichnungen aus der Lobby des George V an. Nach einer Stunde stellten sie fest, dass die Lobby nicht viel hergab.
    Die nächste Einstellung zeigte den Hotelgang im vierten Stock. Ein Zimmermädchen schob ihren Wagen von Zimmer zu Zimmer, brachte neue Handtücher, neue Bettwäsche. Klopfte an Zimmertüren, ging rein und kam wieder heraus. In Dr. Harry Steiners Zimmer war sie gegen 10 Uhr morgens und verließ es gegen 10.26 wieder. Zwischendurch kamen Gäste und gingen wieder. Darunter auch Harry Steiner und Katarin Gromowa, die ihr Zimmer um 9 Uhr morgens verlassen hatten und um 12 Uhr wieder zurückkamen. Sie hatte sich eng an ihn geschmiegt und schien ziemlich ausgelassen zu sein. Immer wieder hielt sie ihren Arm hoch und gab ihm einen Kuss.
    „Was macht sie da?“, fragte Germain und drückte die Pausetaste.
    „Sie ist ganz aus dem Häuschen. Es sieht so aus, als würde sie ständig auf die Uhr sehen. Hat man bei der Leiche eine Frauenuhr gefunden?“, fragte Sam.
    „Nein, ich glaube nicht. Kein Schmuck, soweit ich weiß. Vielleicht hatte sie die Sachen im Tresor.“ Germain machte einen kurzen Anruf und bestätigte, dass man keinen Schmuck im Zimmer gefunden hatte, auch nicht im Tresor. „Wir werden Monsieur Steiner fragen. Er kommt in einer Stunde.“
    Dr. Steiner verließ das Zimmer wieder um 12.30, ohne seine Geliebte. Um 12.55 war das letzte Zimmer auf diesem Stockwerk gemacht. Das Zimmermädchen stellte um ein Uhr den Wagen in die Wäschekammer und verschwand durch eine Tür, über der ein leuchtendes Schild ,Exit’ angebracht war. Keine fünf Minuten später kam sie zurück und holte den Wagen wieder raus, fuhr ihn direkt vor die Tür der Zimmernummer 410, Dr. Steiners Zimmer. Sie klopfte nicht an, öffnete mit einer Karte die Tür und schob den Wagen vor sich ins Zimmer rein. Die Tür schloss sich. Das Zimmermädchen kam nicht mehr raus.
    „Tja, da haben wir unseren Mörder“, sagte Sam und fuhr sich über das Grübchen an seinem Kinn. „Er hatte sich als Zimmermädchen verkleidet. Wie originell.“ Er hatte schon in Barcelona kurz darüber nachgedacht, aber das nicht weiter verfolgt. Es war das Naheliegenste gewesen. „Zimmermädchen, Zimmerservice, Kofferträger oder Securité. Natürlich ist so jemand weniger verdächtig, wenn er sich in den Gängen aufhält.“
    „Was wäre gewesen, wenn das Zimmermädchen den Wagen noch einmal gebraucht hätte?“
    „Sie haben immer zwei in den Wäschekammern stehen. Sie hätte angenommen, eine Kollegin hätte ihn geholt.“
    Germain zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch langsam gegen eine kleine Tischlampe, wo er sich um die heiße Glühbirne kringelte.
    Gegen 15.30 sahen sie das verkleidete Zimmermädchen rückwärts aus der Tür kommen.
    „Bastard“, schimpfte Germain und ließ seine Wut an der Zigarette aus, indem er sie regelrecht im Aschenbecher zerquetschte.
    An der Tür klopfte es leise. Der Kopf einer brünetten Beamtin erschien und kündigte Monsieur Steiner an. Sie lächelte Sam mit einem koketten Augenaufschlag an und schloss wieder leise die Tür.
    „Sam, sind Sie inzwischen verheiratet?“
    „Non, Monsieur.“
    „Sie sollten jede Chance wahrnehmen. Man ist nie mehr so jung wie heute.“
     
    Harry Steiner schien in der Nacht um zwanzig Jahre gealtert zu sein. Der Mann saß gebeugt auf einem Stuhl, das Gesicht eines Greises, angeschwollene Tränensäcke unter den rot unterlaufenen Augen, und er hatte sich seit gestern Abend nicht umgezogen. Er bestätigte, dass er Katarin eine weißgoldene Chopard mit Diamantherzen und braunem Lederarmband an dem besagten Tag gekauft und sie sich wie ein kleines Kind darüber gefreut hatte. Die Uhr und ein paar Diamantohrringe, die sie aber schon bei ihrer ersten Begegnung im Café getragen hatte, waren jedoch nirgendwo aufgetaucht.
    Über die Vergangenheit von Katarin Gromowa konnte er nichts erzählen. Sie hatte immer gesagt, was interessiert die Vergangenheit, wir leben jetzt, Harry . Jetzt und vielleicht morgen nicht meh r. Bei

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