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Orchideenstaub

Orchideenstaub

Titel: Orchideenstaub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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Falls entgegenzusehen, wie sie erhofft hatten, wurde das Ganze immer verzwickter und mysteriöser. Der einzige Zeuge, der ihn hätte wiedererkennen können, war tot. Harry Steiner. Doch seine Beschreibung stimmte ebenfalls nicht ganz mit der äußeren Gestalt von Rafael überein. Steiner hatte den Mann auf einen Meter fünfundsiebzig geschätzt, Rafael war aber über einen Meter achtzig. Hatte sich der Arzt tatsächlich um etwa acht Zentimeter verschätzt?
    Kopfzerbrechen machte Sam auch das Blut. Hatte jemand das Blut in der Klinik gestohlen, in der Rafael sich hatte untersuchen lassen und damit die Gedichte geschrieben? Naheliegend war eher, dass sich Rafael selbst das Blut abgezapft und damit die Zeilen geschrieben hatte.
    Es klopfte an der Tür. Maik Schenker streckte seinen Kopf hinein und winkte Sam hinaus. Die Pause kam ihm mehr als gelegen.
    „Erst die gute oder erst die schlechte Nachricht?“, fragte Maik.
    „Immer zuerst die schlechte“, entgegnete Sam.
    „Sein Blackberry hat nichts hergegeben. Alles leer. Keine E-Mails, keine Telefonnummern. Scheinbar gerade erst gekauft. O.k. und jetzt die Gute. Wir haben das Kaffeekränzchen überprüft, das Rafael Rodriguez gegen drei Uhr in der Cafeteria im Hotel abgehalten hatte. Zwei Zeugen bestätigen, dass er sich dort mit einer Frau getroffen hat. Nach der Beschreibung war sie groß, blond, schlank und ziemlich gutaussehend. Sie haben in einer Ecke gesessen und leise miteinander gesprochen, als wollten sie nicht, dass jemand ein Wort aufschnappt. Dann haben sie bezahlt und haben gemeinsam das Hotel verlasen.“
    „Kann man herausfinden, wer die Frau war?“
    „Das haben wir schon.“ Maik lächelte verschmitzt. „Sie heißt Judith Weinmann. Die Rechnung aus der Cafeteria hat sie aufs Zimmer gehen lassen.“
    „Und wo ist sie jetzt?“
    „Sie hat nur bis heute einschließlich gebucht. Sollen wir sie aufs Revier bringen lassen?“
    „Warten Sie hier. Ich sag Ihnen gleich Bescheid.“
    Sam bat um eine Karaffe Wasser und betrat wieder das Verhörzimmer.
    Rafael Rodriguez sah müde und geschafft aus. Er war sich so oft durch die Haare gefahren, wohl aus Verzweiflung, dass sie in alle Himmelsrichtungen abstanden.
    „Sie hatten uns gesagt, dass Sie einen Kaffee trinken waren, während man Ihre Frau getötet hat.“
    „Ja, das sagte ich.“
    „Allein?“
    „Ja. Allein.“
    Dass der Kolumbianer ohne rot zu werden lügen konnte und ihm dabei noch fest in die Augen sah, fand Sam sehr beeindruckend.
    Sam stand auf, ging zur Tür und sagte etwas in den Gang hinaus. Dann setzte er sich wieder und lächelte Rafael freundlich an.
     
     

41.
     
     
     
    KOLUMBIEN  Lea war in der Nacht mehrmals aufgewacht. Sie schlief sonst wie eine Tote, träumte so gut wie nie, und wenn, dann hatte sie den Inhalt schon vergessen bevor sie die Augen öffnete. Doch dieses Mal konnte sie sich sehr genau an die Bilder aus ihrem Traum erinnern. Sie hatte von dem kleinen Jungen Alfonso Villegas geträumt.
    Er stand am Ende eines langen dunklen Ganges. Und obwohl sie ihn nicht erkennen konnte, wusste sie, dass er es war. Er machte ihr ein Zeichen ihm zu folgen, aber ihre Füße waren plötzlich bleischwer und unsichtbare Arme umschlossen sie mit eisernem Griff, hielten sie davon ab, sich von der Stelle zu bewegen. Ein Mann tauchte plötzlich aus dem Nichts auf. Sein Gesicht war nur schemenhaft zu sehen, aber es schien keine Gefahr von ihm auszugehen. Sie spürte, dass er ihr nur helfen wollte. Als sie versuchte, ihm ihre Situation zu erklären, stellte sie zu ihrem Entsetzen fest, dass ihr Mund zugenäht war, wie sie es bei den Toten machten, wenn sie sie für die letzten Stunden unter den Lebenden präparierten. Sie konnte sogar den dicken Faden im Mund spüren, der durch ihr Zahnfleisch ging. Der Mann drehte sich auf einmal um und ging weg, ließ sie hier allein im Dunkeln. Und dann sah sie helles, weißes Licht aus dem Raum kommen. Es beleuchtete den ganzen Gang. Plötzlich konnte sie sich wieder bewegen. Sie fing an zu rennen, aber als sie endlich den Raum erreichte, war der kleine Junge verschwunden. Dann war sie aufgewacht.
    Lea versuchte, in dem Traum eine tiefere Bedeutung zu sehen. Natürlich war er nur eine Reflexion ihrer Gedanken und Handlungen in den letzten Tagen, vielleicht sogar ihres schlechten Gewissens, immerhin schnüffelte sie hinter ihrem Bruder her.
    Sie ging ins Bad und drehte das Wasser auf. Es war eiskalt. Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, Gas zu

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