Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
legte Bent die linke Hand auf seine
Schulter, während er ihm die Hand schüttelte.
„Eine Sache ist da noch. - Ich erwarte von
Ihnen, dass Sie mich über jeden Ihrer Schritte rechtzeitig , das heißt vorher ,
informieren. Haben wir uns verstanden?“
„Ja, selbstverständlich.“
Noch während er die knappe Antwort
formulierte, dachte er: Ich wusste doch, dass die Sache einen Haken hat.
Doch was sollte er machen? Gab es eine
Möglichkeit, diese Entscheidung aufzuschieben? Konnte er zustimmen, ohne das
Gefühl zu haben, seine Chefin zu hintergehen? Viel lieber hätte er zunächst mit
ihr gesprochen. Doch Bent ließ ihm die Zeit nicht. Mit diabolischer List hatte
er ihn überrumpelt. Keßler kam sich vor wie ein Tollpatsch, der wie ein
blutiger Anfänger in eine Falle getappt war.
„Gut, was ist denn Ihr nächster Schritt?“
Keßler hing noch seinen Gedanken nach. Zum
zweiten Mal innerhalb weniger Minuten gelang es ihm nicht, schnell genug eine
Antwort zu formulieren. Bent schien das nicht zu interessieren. Er beantwortete
die Frage selber.
„Am besten wird es sein, wenn Sie sich
nochmal das Umfeld der Ermordeten ansehen. Daraus werden sich ganz sicher neue
Aspekte ergeben. Zum anderen sollten Sie so schnell wie möglich - und das hat
Vorrang - die Akten, Jahrbücher und sonstigen Dokumente, die Ihnen der Obere
des Klosters Auethal freundlicherweise überließ, zurückbringen. Herr Bezold,
der Assistent von Herrn Eichholz, ist bereits informiert. Er erwartet Sie.“
Der legt ja ein enormes Tempo vor! , dachte Keßler und
wunderte sich darüber, dass das Kloster bereits informiert war.
Er verabschiedete sich von Bent. An der Tür
angelangt, rief ihm dieser hinterher: „Und denken Sie daran: Sie sind mein
Mann, Keßler!“
Dabei formte er Daumen und Zeigefinger zu
einer Pistole, mit der er auf Keßler zielte. Er kniff er ein Auge zu und
lächelte. Keßler verließ den Raum und spürte, dass Bents letzte Äußerung einen
eiskalten Schauer verursachte, der ihm den Rücken hinunterlief.
23
+++ Mittwoch, 19. September - 18.15 Uhr · Wohnung von Verena Sonnenberg, München +++
Nach ihrer Zwangsbeurlaubung war Verena zunächst nachhause
gefahren. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Bent sie vor die Tür
gesetzt hatte. Er hatte von einer Beurlaubung gesprochen, doch Verena
war vollkommen klar, was das bedeutete. Sie war zu lange im Polizeidienst, um
nicht zu wissen, wie derartige Entscheidungen in der Regel ausgingen. Zu viele
Kolleginnen und Kollegen hatte sie kommen und gehen sehen. Wenn Bent ein
Disziplinarverfahren gegen sie einleiten sollte - und sie war davon überzeugt,
dass das passieren würde - bestand kaum eine Chance, ihren Job behalten zu
können. Ihr kam es so vor, als hätte man ihr eine Schlinge um den Hals gelegt,
die sich jetzt langsam zuzog.
Verenas Instinkt sagte ihr, dass etwas faul war. Ihr wollte
einfach nicht einleuchten, dass man sie wegen einer vergleichsweise belanglosen
Lappalie kalt gestellt hatte. Es musste mehr dahinter stecken. Doch wer konnte
ein Interesse daran haben, dass die Ermittlungen im Kloster Auethal sofort
eingestellt werden sollten? Kam diese Anordnung wirklich von ganz oben? Konnte
es sein, dass ein Netzwerk bestand, das bis in die Landesregierung reichte?
Als Kämpferin wollte sie nicht einfach aufgeben und sich
ihrem Schicksal ergeben. Das passte nicht zu ihr! Nein, sie wollte der Sache
auf den Grund gehen. Davon würde sie nichts und niemand abhalten. Im
Polizeipräsidium war ihr eine Kollegin mit guten Verbindungen in die
Personalabteilung noch einen Gefallen schuldig. Von ihr erfuhr sie per Telefon die
Privatadresse von Thomas Bent. Hier wollte sie ansetzen. Der Mann war ihr noch
nie geheuer und jetzt war der Zeitpunkt da, ihm auf den Zahn zu fühlen.
Sie ging in den kleinen Flur ihrer Wohnung, nahm Jacke und
Tasche von der Garderobe und machte sich auf Weg. Mit dem Auto fuhr sie
Richtung Bogenhausen. Sie wunderte sich nicht, als sie von der Kollegin erfuhr,
dass Bents Domizil in einem der nobelsten Stadtteile Münchens lag.
Der Flachdachbungalow war im Stil der späten siebziger Jahre
gebaut. Sie parkte ihren Wagen in der Nähe mit Blick auf die Grundstückseinfahrt.
Das gesamte Areal war von einem wuchtigen Metallzaun umgeben. Meterhohe
Zypressen und Rhododendren säumten das Grundstück und erschwerten die Sicht auf
das Haus, doch Verena entschloss sich dazu, zunächst ihren Standort
beizubehalten. Für ihre Zwecke reichte der
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