Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
nicht glauben, was seine Chefin ihm gerade verkündet hatte und stellte
sich die Frage, wer oder was hinter der Entscheidung steckte, sie zu
beurlauben. Wie sollte es jetzt weitergehen und wer sollte die Verantwortung
übernehmen?
An Bents Büro angekommen, holte Keßler tief
Luft, klopfte an und öffnete Tür. Bent stand auf, kam auf ihn zu und streckte
ihm die rechte Hand entgegen, während er die linke auf Keßlers Schulter legte.
Dieser, irritiert durch die vertraulich wirkende Geste, fühlte sich unangenehm
berührt dachte: So begrüßen sich eigentlich nur alte Freunde …
„Guten Tag Herr Keßler! Ich habe Sie bereits
erwartet. Wir haben einiges zu besprechen.“
Keßler nahm auf dem ihm angebotenen Sessel Platz.
Sein Unbehagen verstärkte sich mit jeder Sekunde. Ihn beschlich Angst und eine
innerliche Unruhe. Er ahnte, dass Bent nichts Gutes im Schilde führte, als sich
dieser auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches in einem Sessel
positionierte.
„Frau Sonnenberg hat Ihnen sicher gesagt,
dass ich mit dem bisherigen Verlauf Ihrer Ermittlungen ganz und gar nicht
zufrieden bin?“, wollte Bent wissen.
Ohne Keßlers Antwort abzuwarten, fuhr er
fort: „Dazu kommt, dass Frau Sonnenberg meine Anweisungen ignoriert hat. Und
das nicht zum ersten Mal! Ich musste reagieren und sah mich deshalb gezwungen,
sie von ihren Aufgaben zu entbinden.“
Bent machte eine Pause, hatte sein Gegenüber
aber fest im Blick, den Kopf dabei etwas schräg geneigt.
„Es kann und darf nicht sein, dass sich eine
Polizeihauptkommissarin anmaßt, die Befehle und Anweisungen ihres Vorgesetzten
zu ignorieren. Schlimmer noch, die Anweisungen des Landespolizeipräsidenten!
Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang! Verstehen Sie?“
Bent hatte von einer Sekunde auf die andere
die Tonlage geändert. Sein Gesichtsausdruck hatte sich parallel dazu
verfinstert. Das rhetorische Spiel, Gestik und Mimik beherrschte er perfekt.
Keßler saß da und hoffte auf eine Gelegenheit, etwas auf Bents Tiraden zu
erwidern. Doch der war noch nicht fertig.
„Sie fragen sich jetzt sicher, wie es
weitergeht. - Das ist eigentlich ganz einfach. Ich habe mir mal Ihre
Personalakte kommen lassen. Sie sind jetzt drei Jahre hier. Richtig?“
Immer noch irritiert, nickte Keßler bestätigend.
„Ihre bisherigen Beurteilungen sind
einwandfrei. Von daher habe ich eine Entscheidung getroffen, die Sie freuen
wird.“
Bent hatte sich jetzt zurückgelehnt und
drehte mit den Fingern an einem goldenen Siegelring, den er am Ringfinger
seiner rechten Hand trug. Keßler verstand nicht, worauf Bent hinaus wollte und
zog instinktiv die Augenbrauen nach oben.
„Sie übernehmen ab sofort die kommissarische
Leitung, mein lieber Keßler. Dabei berichten Sie selbstverständlich an mich. - Was
sagen Sie dazu?“
Bent grinste breit. Es war sein Kalkül,
Keßler zu überraschen. Und wie es schien, war ihm das gelungen.
„Ich weiß nicht …“, begann Keßler. Doch Bent
war ungeduldig und ließ keinen Widerspruch zu.
„Keßler, ich glaube, dass Sie mich sehr gut
verstanden haben. Das ist Ihre Stunde! Ihre große Chance! Ich erwarte von
Ihnen, dass Sie mit demselben Elan, mit der gleichen Zielstrebigkeit und
derselben Energie an Ihre neue Aufgabe herangehen, wie Sie auch Ihre bisherigen
Aufgaben erledigt haben. - Wissen Sie, wir brauchen solche Beamten wie Sie! - Sehen
Sie es mal so: wenn Sie ablehnen - was selbstverständlich Ihr gutes Recht ist -
wird Dr. Ziegler die Bildung einer SOKO nicht verhindern können. Doch das
wollen wir alle nicht, oder?“
Keßler wusste nicht so recht, wie er mit der
Situation und dem Vorschlag umgehen sollte. Das war eine Chance, die sich
wahrscheinlich kein zweites Mal bot. Auf der anderen Seite konnten sich seine
Vorgesetzten immer auf seine Loyalität verlassen. Und gerade zu Verena
Sonnenberg hatte er ein gutes Verhältnis. Sicher, es war manchmal etwas
schwierig mit ihr. Vor allem, seit sie sich von ihrem Lebenspartner getrennt
hatte, verhielt sie sich gelegentlich etwas „daneben“. Doch das betrachtete er
als vorübergehende Erscheinung. Irgendwann würde sie sich wieder fangen.
„Nein, natürlich nicht.“, antwortete er
mechanisch.
„Sehen Sie, dann sind wir ja einer Meinung.
Dann darf ich also mit Ihrer Zustimmung rechnen?“
„Ja.“ Kürzer konnte seine Antwort nicht
ausfallen. Doch das war auch nicht notwendig. Bent stand auf und reichte Keßler
die Hand.
„Dann meinen Glückwunsch zu Ihrer
Entscheidung!“
Wieder
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