Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
haben, dass das ein Haftbefehl ist.“
Gerade in dem Moment, als Nagy antworten wollte,
ertönte der elektrische Gong neben der Eingangstür. Nagy schob das Dokument
beiseite und stand auf.
„Herr Dr. Nagy! Setzen Sie sich wieder hin!
Ich bin noch nicht fertig!“, forderte Keßler mit harter Stimme. „Sie stehen in
dem dringenden Verdacht, Herrn Baumert und zwei weitere Personen ermordet zu
haben.“
„Das ist doch lächerlich! Ich will sofort
mit meinem Anwalt sprechen!“
„Das können Sie gerne machen. Aber jetzt
begleiten Sie mich erst mal aufs Präsidium!“
Erneut ertönte der Gong im Flur. Nagy
verließ ohne zu zögern die Küche und betätigte den Schalter der Wechselsprechanlage
im Flur neben der Eingangstür.
„Ja bitte …?“
Plötzlich stand Keßler neben ihm und
betätigte den Türöffner.
„Was erlauben Sie sich …?!“, empörte sich
Nagy.
„Keine Sorge, das sind nur meine Kollegen.“,
antwortete Keßler in ruhigem Ton. „Wie ich schon sagte, wir fahren jetzt
gemeinsam zum Präsidium.“
28
+++ Montag, 24. September - 7.45 Uhr · Rechtsmedizin
M ü nchen
+++
Am Montagmorgen war Keßler bereits sehr früh nach Auethal
gefahren, um im Kloster die Unterlagen abzugeben, die ihm der Assistent des
Rektors vor ein paar Tagen überlassen hatte. Am Sonntagabend war er ins Büro
gekommen und hatte vorsichtshalber die wichtigsten Dokumente kopiert.
Von Auethal aus fuhr er auf direktem Weg zur Rechtsmedizin.
Dr. Bamberger hatte den Obduktionsbericht für das dritte Mordopfer für Freitag
zugesagt, doch der Bericht war bis 19.00 Uhr nicht eingetroffen. Keßler wollte
weitere Verzögerungen ausschließen und direkt mit dem Pathologen reden. Der
hatte Verena zwar vorab erklärt, dass der ermordete Richter genauso wie die
beiden anderen Opfer vergiftet wurde, doch Keßler hegte die Hoffnung,
vielleicht noch etwas Neues zu erfahren.
Es herrschte reger Verkehr, als er in München am
Beethovenplatz in die Nussbaumstraße abbog und den Wagen vor dem Haupteingang
parkte. In der Rechtsmedizin angekommen, traf er Dr. Bamberger in seinem Büro
an. Dieser wunderte sich, als Keßler ihm erzählte, dass der Bericht nicht
angekommen sei.
„Das verstehe ich nicht! Ich habe den Bericht per Hauspost zu
Ihnen geschickt. - Warten Sie einen Moment. Ich bin gleich wieder hier.“
Er stand auf, ging in einen Nebenraum und schloss die
Verbindungstür hinter sich. Nach kurzer Zeit konnte Keßler hören, dass
Bamberger sehr laut mit jemandem sprach. Er schien sehr erregt zu sein. Dann
wurde es ruhig und der Pathologe kam zurück in sein Büro. Dabei hielt er einen
braunen Umschlag in der Hand, aus dem er einen Bericht zog und auf dem
Schreibtisch platzierte.
„Ihr Bericht, Herr Keßler.“ In Bambergers Gesicht hatte sich
Zornesröte breitgemacht.
„Meine Assistentin hat es leider versäumt, dem Boten den
Bericht mitzugeben. Tut mir leid! – Aber da Sie jetzt hier sind, können wir den
Bericht auch kurz gemeinsam durchgehen.“
„Das ist kein Problem, Herr Doktor! Ich nehme Ihr Angebot
sehr gerne an.“
„Gut!“
Bamberger ging noch einmal ausführlich auf die Todesursache
und den Todeszeitpunkt ein. Mittlerweile war Keßler mit den Details und äußeren
Merkmalen, an denen sich die Verabreichung des Giftes der Kegelschnecke
feststellen lassen, bestens vertraut. Genauso wie das zweite Opfer, war der
Ermordete ansonsten kerngesund.
Nachdem er sich bei Bamberger bedankt und verabschiedet
hatte, fuhr er in sein Büro. Er stand vor einem Rätsel. Es bestand
offensichtlich keine Verbindung zwischen den beiden ermordeten Priestern und
dem Richter. Oder hatte er etwas übersehen?
Außerdem plagten ihn Gewissensbisse. Keßler bedauerte, sich
auf den Vorschlag des Polizeirats eingelassen zu haben und kam sich vor wie ein
Verräter. Seine Chefin, die sich ihm gegenüber immer fair verhielt, hatte ihm
zwar keinen Vorwurf gemacht, doch er fühlte sich einfach nur schlecht. Ihm wäre
es lieber gewesen, sie hätte ihm klipp und klar gesagt, was sie von seiner
Entscheidung hielt.
Bent verlangte von ihm, über jeden Schritt vorher informiert zu werden. Für ihn bedeutete das eine totale Einschränkung seiner
Entscheidungsfreiheit. Er sollte in eine andere Richtung ermitteln. In welche?
Die Verdachtsmomente, die bisher vorlagen, konzentrierten sich auf das Kloster
Auethal und das unmittelbare Umfeld, sowie den Hauptverdächtigen Vergil Nagy.
Keßler konnte und wollte einfach nicht akzeptieren, dass Bent
die
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