Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
Allmählich dämmerte ihm, dass es nicht gut
um ihn bestellt war. Er würde nicht beweisen können, dass sein Notebook
gestohlen wurde und dass die Aufnahmen nicht von der Festplatte stammten. Auch
würde der Nachweis nicht zu führen sein, dass man sich seine DNA widerrechtlich
besorgt hatte, um diese mit der gefundenen Spermaprobe zu vergleichen. Sein
geplantes Konstrukt drohte wie ein Kartenhaus in sich zusammenzufallen. Die
ersten beiden Karten des Unterbaus waren bereits entfernt.
Keßler,
der in einem benachbarten Raum hinter einer getönten Glasscheibe das Gespräch
zwischen Verena und Bent verfolgte, hielt sein Smartphone in der Hand und gab
eilig den folgenden Text ein.
Unterbrechung!
Kommen Sie bitte nach nebenan!
Verenas
Handy machte sich in ihrer Jackentasche per Vibrationsalarm bemerkbar.
Ausgerechnet
jetzt! , dachte sie, nachdem sie den Text
gelesen hatte. Was soll das?
„Wir
werden jetzt kurz unterbrechen.“
Sie stand
auf und verließ den Raum. Kaum hatte sie die Tür des Nebenraums geöffnet,
polterte sie los:
„Keßler,
was soll das? Sind Sie wahnsinnig? Ich hatte ihn fast so weit. Er wollte
reden!“
„Chefin,
nur die Ruhe!“, beruhigte sie Keßler. „Es ist alles gut. Ich schlage vor, dass
wir Bent einen Deal anbieten.“
„Was
meinen Sie damit?“
„Er
wird nicht so blöd sein und uns alles verraten, was er weiß. Er wird sich kaum
selbst belasten. Bent ist zu lange im Geschäft. Er ist Profi und er weiß genau,
wie der Hase läuft. Wenn wir ihm nicht etwas anbieten, wird er nicht
kooperieren.“
„Keßler,
sind Sie jetzt vollkommen durchgedreht? Was sollen wir ihm denn anbieten? Ich
will ein umfassendes Geständnis und sonst nichts!“
„Das
wird nicht funktionieren! Glauben Sie mir! Lassen Sie uns mit Dr. Ziegler
reden. Wir fragen ihn, welche Möglichkeiten er für einen Deal sieht.“
„Warum
sollte sich Dr. Ziegler oder der Staatsanwalt auf einen Deal einlassen? Was
haben wir davon?“
„Ganz
einfach! Zum einen erfahren wir, was wirklich passiert ist. Zum anderen haben
wir ohne seine Aussage keine Chance an die Hintermänner und weitere Mitglieder des
Pornohändlerrings heranzukommen.“
Verena
schluckte. Durch die Scheibe sah sie in das Gesicht Thomas Bents, der mit den
Fingern auf der Tischplatte trommelte. Er schien nervös zu sein.
Gab es
wirklich Hintermänner? Und kannte Bent diese Leute? Wer war noch in die
Machenschaften des Ordens verstrickt? Bis in welche Hierarchieebene des Ordens reichte
der Pornohändlerring?
Fragen
über Fragen, auf die Verena keine Antwort fand. Sie musste entscheiden, ob sie
Keßlers Vorschlag folgen sollte.
*
„Wir
fahren eine Doppelstrategie!“, entschied Verena.
„Was
meinen Sie mit Doppelstrategie ?“, wollte Keßler von ihr wissen.
„Ganz
einfach. Ich gehe da jetzt wieder rein und werde ihm einen Vorschlag machen.
Entweder er akzeptiert, oder wir vergessen das Ganze!“
„Vielleicht
ist es geschickter, wenn Sie ihn seine Vorstellungen formulieren lassen?“
„Wir
sollten ihm nicht zu viel Spielraum lassen. Vor allem dürfen wir bei allem, was
wir jetzt planen und abstimmen, nicht vergessen, dass es sich hier nicht um ein
Kavaliersdelikt handelt. Da drin sitzt ein perverser Kinderschänder!
Normalerweise verhandelt man mit solchen Typen nicht.“
„Chefin,
es ist nicht unsere Aufgabe, das moralisch zu bewerten und ihn zu verurteilen.
Das ist Sache des Gerichts. Wir sind dazu verpflichtet, umfassend die ganze
Dimension der Straftat aufzuklären. Dazu gehört die Identifizierung und
Überführung aller beteiligten Täter. Genauso wie Sie, halte ich es für
bedenklich, mit Kriminellen zu verhandeln. Und in diesem Fall ist das sicher
ganz besonders schwierig. Die Frage ist aber: Haben wir eine andere Wahl?“
Verena
wusste, dass der Aussage
eines Kronzeugen immer ein hoher Preis gegenüberstand. Durch Strafmilderung wurde
das Prinzip einer gleichmäßigen und gerechten Bestrafung verwischt. Da
Kronzeugen meist in Fällen schwerer Straftaten hinzugezogen wurden, bestand
zudem die Gefahr, dass ausgerechnet solche Straftäter, die besonders große
Schuld auf sich geladen haben, durch ihre Aussage einen Vorteil bei der
Strafzumessung erlangen konnten, der kleinen Straftätern nicht zugänglich war.
Das waren Punkte, die auch bei Bent zutrafen. Sie kam zu dem Ergebnis, dass Keßler Recht hatte. Sie erteilte ihm den Auftrag, erneut mit
Dr. Ziegler zu sprechen. Ziegler sollte mit dem Staatsanwalt eine Vereinbarung
treffen,
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