Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
lag bewegungslos da.
„Was ist mit ihm?“, wollte Verena wissen.
„Er schläft tief und fest. Und jetzt geben Sie mir bitte Ihre
Pistole!“
Verena zog ihre Dienstwaffe langsam aus dem Futteral.
„Legen Sie die Waffe langsam und vorsichtig auf den Tisch!“
Verena machte vorsichtig drei Schritte nach vorne, blieb vor
dem flachen Tisch stehen und legte ihre Waffe dort ab. Dann drehte sie sich
langsam um und blickte in Keßlers Gesicht. Sie stellte sich die Frage, ob das
wirklich der Mann war, mit dem sie schon so lange zusammenarbeitete. War es
möglich, dass sie sich wirklich so getäuscht hatte? Was war passiert? Hätte sie
nicht doch vor einigen Tagen ihrem Instinkt folgen müssen? Ihr gingen viele
Fragen durch den Kopf. Keßler, der jetzt direkt vor ihr stand, nahm die P7 vom
Tisch und ging wieder zwei Schritte zurück, um die Waffe zu prüfen.
Würde es dieser Mann wirklich wagen, auf sie zu schießen? Mit
bohrendem Blick suchte sie in Keßlers Gesicht nach der Antwort. Sie wusste zwar
nicht, was passiert war, doch auf Hilfe schien sie in dieser Situation nicht
hoffen zu können. Wo waren die beiden Beamten die zum Schutz Bents eingeteilt
worden waren? Hatte er sie bereits getötet? Wenn es überhaupt eine Chance gab,
dieser Situation zu entkommen, musste sie handeln. Und zwar jetzt!
Sie griff blitzschnell nach dem Riemen ihrer Handtasche, die
sie über ihre Schulter gehängt und machte einen großen Schritt nach vorne. Dann
schleuderte sie die Tasche gegen die Schläfe Keßlers, der sichtlich von der
Aktion überrascht wurde. Ohne seine Reaktion abzuwarten, versuchte Verena die
rettende Tür zu erreichen. Sie hatte bereits den Türgriff in der Hand, als
Keßler sie von hinten an der Schulter packte und herumriss. Sie verlor den
Halt, stolperte und fiel vor ihm auf den Boden. Keßler hielt immer noch die
Pistole auf sie gerichtet.
„Vergessen Sie´s einfach! Das ist aussichtslos.“, sagte
Keßler mit verächtlichem Unterton.
„Bleiben Sie da hocken! Ich will Sie im Auge behalten!“
Er trat zwei Schritte zur Seite und hob Verenas Dienstpistole
auf, die während des Gemenges auf den Teppichboden gefallen war. Er überprüfte noch
einmal kurz die Waffe und steckte dann seine eigene Pistole in seinen
Pistolenhalfter.
„Was soll das alles, Keßler? Sind Sie vollkommen
durchgedreht?“
„Ich finde Ihre Pistole irgendwie hübscher.“, grinste Keßler.
„Was haben Sie damit vor?“
„Wir werden jetzt ein weiteres, bedauerliches Verbrechen
inszenieren. Dabei dürfen Sie sich aussuchen, ob Sie Bent erschießen und dann
sich selbst oder umgekehrt?“
„Keßler, ich kann Ihnen nicht folgen. Was soll das alles?
Haben Sie irgendetwas mit dem Orden zu tun? Sind Sie in dessen Machenschaften
verstrickt? Sind Sie etwa Mitglied des Ordens?“
„Das würden Sie nicht verstehen. Wir haben auch nicht die Zeit
für großartige Erklärungen. Also, beantworten Sie lieber meine Frage. Es ist
vermutlich der letzte Wunsch, den Sie äußern können.“
Verena blickte fassungslos in Richtung Keßlers, der
breitbeinig vor ihr stand. Er hatte die Waffe genau auf ihren Kopf gerichtet.
Sie schloss ihre Augen und hoffte, dass er gut zielte und alles schnell vorbei
war.
Keßlers Zeigefinger lag jetzt direkt auf dem Spanngriff und
zog diesen langsam in Richtung des Griffs. Sie hörte ein Geräusch, das sich wie
ein dumpfer Schlag anhörte. Ihre Augen hielt sie immer noch fest geschlossen.
Dann folgten ein Klicken, ein lauter Knall und ein Geräusch, als wäre etwas auf
den Boden gefallen. Sie riss instinktiv die Augen auf und sah Bent. Er hielt
einen schweren Aschenbecher aus Kristallglas in der Hand. Direkt vor ihr lag
Keßler, der noch immer mit seiner rechten Hand die Pistole umklammerte.
56
+++ Donnerstag, 4. Oktober - 10.05 Uhr · Polizeipräsidium München +++
Noch
am Montag war Keßler im Hotel verhaftet worden. Die Platzwunde, die ihm Bent
beigebracht hatte, musste ärztlich versorgt werden. Jetzt saß er in einer Zelle
des Polizeipräsidiums und schwieg beharrlich.
Landespolizeipräsident
Dr. Ziegler hatte neben Verena den Staatsanwalt zu einem Gespräch eingeladen.
Harald Greweldinger saß Verena gegenüber und blätterte geschäftig in einem
dicken Ordner, der direkt vor ihm auf dem Tisch lag.
Ziegler
hatte darauf bestanden, dass auch Ben Seybold an dem Gespräch teilnahm. Dieser
war nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt wieder wohlauf. Er hatte sein
Martyrium relativ gut
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