Orden der Verderbnis - Thriller (German Edition)
ideale Nährboden für
Päderasten und Pädophile sein soll.“
Dr. Ziegler
war kurz aufgestanden, zog sein Sakko aus und hängte es über die Stuhllehne.
„Und
dann diese extremen Formen von - sagen wir - sexuellen Varianten, die man
eigentlich nur als pervers und abartig bezeichnen kann. Da stimmt doch generell
etwas nicht! Oder sehe ich das falsch?“
Eine
Weile herrschte betretenes Schwiegen am Tisch. Verena ergriff als erste das
Wort.
„Sie
sprechen da einen Punkt an, dessen Beantwortung sicher nicht ganz leicht ist.
Ich könnte es mir jetzt einfach machen und sagen: Fragen Sie doch einfach
Herrn Bent. Der war ja schließlich einer der Akteure. Aber das wäre
wirklich zu einfach.“
Bent
sagte kein Wort und hatte seinen Blick nach unten auf die Tischplatte gerichtet.
Offensichtlich war ihm das Thema unangenehm.
„Die
Kollegen von der Sitte sehen sich ständig mit dieser Frage oder ähnlichen
Fragestellungen konfrontiert, da sie nach Motiven suchen. Nun bin ich keine
Psychologin und kann Ihre Frage sicher nicht wissenschaftlich fundiert
beantworten. Doch ich bin davon überzeugt, dass das zur Außenwelt hin
abgeschottete Leben hinter dicken Klostermauern einen Raum bildet, in dem krude
Sexphantasien entstehen. Allein die Tatsache, dass sich normal entwickelte
Männer dazu verpflichten ehelos beziehungsweise sexuell enthaltsam zu leben …“
„Sie
meinen den Zölibat. Richtig?“, unterbrach sie Dr. Ziegler.
„Ja,
in der katholischen Kirche ist das Versprechen eine Vorbedingung für die
Priesterweihe.“
„Bei
den Jesuiten genauso.“, ergänzte Ben Seybold.
„Hinzu
kommt die Situation, dass der Orden davon überzeugt ist, dass seine Mitglieder
in einem rechtsfreien Raum leben. Das wird so zwar nie kommuniziert, doch es
ist de facto so. Man lässt sich nicht in die Karten schauen und verbittet sich
jede Einmischung von außen. Das haben auch die jüngsten Missbrauchsfälle wieder
deutlich gezeigt. Es läuft immer nach dem gleichen Muster ab. Wird ein Fall
bekannt, streitet man zunächst alles ab. Wenn das nicht funktioniert, stellt
man die Situation als Einzelfall dar. Man kündigt eine interne
Untersuchung, eine sogenannte Visitation ,an. Dabei kommt dann
meistens nicht mehr als die Versetzung desjenigen heraus, der die Vorwürfe
nicht ausräumen kann. Oft wird auch versucht, den überführten Täter selbst als
Opfer einer sensationsgierigen Presse darzustellen. Die eigentlichen Opfer werden öffentlich diskreditiert, mundtot gemacht, eingeschüchtert oder
mit kleinen Entschädigungen abgespeist. Ist eine Zeit vergangen, redet niemand
mehr darüber. So einfach ist das …“
„Sie
müssen wissen, dass sich Herr Seybold mit dieser Thematik sehr gut auskennt.
Deshalb ist es auch gut, dass er heute mit am Tisch sitzt.“
Verena
schaute Ben mit einem kurzen Lächeln an.
„Frau
Sonnenberg, Herr Bent, ich verstehe das alles, doch mir scheint, dass da noch
etwas ergänzt werden muss. Mir fehlt da immer noch eine schlüssige und
abschließende Folgerung. Wir können festhalten, dass es sich um ein
abgeschottetes System handelt. Man scheint sich in einer Art Vakuum zu
befinden. Die Mitglieder dieses Systems haben sich verpflichtet, sexuell
enthaltsam zu leben. Es ist eine streng hierarchische Welt. Aber lassen sich
damit wirklich die abscheulichen Taten erklären?“
„Wie ich
bereits eben sagte, sind wir keine Psychologen. Und auch denen wird es
vermutlich schwer fallen, eine umfassende Antwort zu liefern. Fakt ist, dass
viele ehemalige Schüler des Internats Opfer dieser Übergriffe wurden. Und das
Erschreckende dabei ist, dass einige der Täter in ihrer eigenen Kindheit und
Jugend selbst Opfer solcher Übergriffe und sexuellen Misshandlungen waren. Das
ist eine traurige Wahrheit, doch auch diese müssen wir zunächst akzeptieren.
Wenn Sie mit den Kollegen von der Sitte sprechen, werden die Ihnen das
bestätigen.“
„Das
heißt, dass es sich sozusagen um eine Kette handelt, in der die Opfer
irgendwann zu Tätern wurden?“, fragte Dr. Ziegler.
„Das
ist nicht immer so, aber wir kennen zahlreiche solcher Fälle.“
„Frau
Sonnenberg, meine Herren, ich verstehe Ihre Neugier und Ihr Verlangen Antworten
auf diese Fragen zu finden. Leider muss ich Sie bitten, wieder auf das
eigentliche Thema zurückzukommen. Uns läuft die Zeit davon …“
Staatsanwalt
Greweldinger lächelte milde und verständnisvoll.
„Frau
Sonnenberg, darf ich Sie bitten, fortzufahren?“
„Ja,
selbstverständlich. -
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