Ordnungszahl 120
Anregungsstoffe. Trotzdem war ich mir darüber klar, daß die Infusionen nicht mehr viel helfen konnten.
Der Chef faßte mich am Arm und zog mich zur Seite, damit die Mediziner unsere Worte nicht verstehen konnten. Erst in sicherer Entfernung gebrauchte Reling meinen Namen.
»Hören Sie gut zu, Konnat«, flüsterte er. »Unsere Rückfragen auf der Mondbasis haben ergeben, daß aus einem kernphysikalischen Geheimlabor dreitausendvierhundert Gramm eines Stoffes verschwunden sind, bei dem es sich um ein Transuran handelt. Es ist ein neuartiges, künstlich hergestelltes Element, das die Ordnungszahl einhundertzwanzig erhalten hat. Es ist in der asiatischen Rakete gefunden worden und sollte also zur Erde transportiert werden. Ich muß unter allen Umständen wissen, weshalb sich der GAS-Geheimdienst zu diesem waghalsigen Unternehmen entschlossen hat, zumal man in Asien noch nicht über die neuen Mondraketen mit thermischen Atomtriebwerken verfügt. Dort arbeitet man noch immer mit Flüssigkeitstriebwerken.«
Ich nickte kurz, da mir diese Tatsachen bekannt waren. Vor etwa drei Jahren waren in den Staaten und auch in Europa die neuen Schiffe in Dienst gestellt worden, nachdem es gelungen war, leichte und betriebssichere Kernreaktoren zur Aufheizung der Arbeitsmedien herzustellen. Mit diesen neuartigen Triebwerken war es nach langer Erprobungszeit mühelos gelungen, den Mond im Direktflug und unter Umgehung der Raumstationen zu erreichen, da sich durch den atomaren Antrieb eine beachtliche Senkung des Massenverhältnisses ergeben hatte.
In Asien war man noch nicht so weit. Wir waren genau über die Entwicklung orientiert. Asiatische Schiffe mit hoher Nutzlastkapazität waren nach wie vor gezwungen, von Weltraumbahnhöfen aus zu starten. Mit ihren Gittergerüstkonstruktionen waren sie nicht in der Lage, in die Atmosphäre der Erde einzutauchen.
»Der physikalische Chef unserer geheimen Mondstation kann sich nicht erklären, warum die dreitausendvierhundert Gramm des neuen Transurans entwendet wurden. Seiner Meinung nach gibt es dafür keine technischen Anwendungsmöglichkeiten. Er kann sich natürlich irren; das gab er zu bedenken. Wir wissen jedenfalls noch nicht, warum man den Stoff nach Asien schaffen wollte. Deshalb müssen wir den Mann zum Reden bringen. Haben Sie das verstanden?«
Ja, ich hatte verstanden; trotzdem schien es ein sinnloses Vorhaben zu sein.
»Mein Gott, der kann doch nicht mehr aussagen, Sir«, stöhnte ich.
Er biß sich auf die schmalen Lippen und blickte forschend zum OP-Tisch hinüber, wo die Ärzte fieberhaft tätig waren. Sie unternahmen alles, was ihnen die Hilfsmittel des Jahres 2002 ermöglichten. Es waren große Fortschritte auf dem Gebiet der Medizin erzielt worden.
»Konnat, Sie werden den Fall bearbeiten«, sagte der Alte. »Sie bleiben hier, bis der Chinese aufwacht. Fragen Sie ihn; wenn nötig, fordern Sie die telepathische Unterstützung von Dr. Hatter an. Er ist Facharzt für Psychotherapie. Bewegen Sie den Mann zu einigen Erklärungen. Er muß wissen, warum man in Asien so großen Wert auf das neue Element legt. Wenn er überhaupt antwortet, wird er Ihnen bestimmt Auskunft erteilen. Er wird wissen, daß er verloren ist.«
»Wieso ausgerechnet mir?« fragte ich erstaunt.
»Weil er Sie kennt, und Sie kennen ihn ebenfalls. Erinnern Sie sich an das Unternehmen, das Sie vor zwei Jahren nach Indien führte? Dort lernten Sie einen Chinesen kennen, der sich Dr. Kuang-Tsin nannte. Fachgebiet Kernphysik. Das ist Dr. Kuang-Tsin!«
Wieder deutete er auf den OP-Tisch. Ich erinnerte mich plötzlich an den kleinen Mann, der immer so höflich gelächelt
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