Ordnungszahl 120
Durchschnitts-Molekulargewichtes umgekehrt proportional ist.«
Dr. Dr. Tayne blinzelte mich zufrieden an und machte einen Vermerk in seiner Liste.
»Ja, sehr schön«, meinte er. »Weshalb haben wir aber trotzdem auf den Wasserstoff als Arbeitsmedium verzichtet und dafür gewöhnlichen Wasserdampf gewählt? Erklären Sie das, bitte.«
Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, doch er reagierte überhaupt nicht, sondern blieb gleichmäßig freundlich. Ich hatte vergessen, daß er solche Blicke längst gewohnt war. Ich war ja nicht der einzige GWA-Schatten, der von ihm und anderen Wissenschaftlern sogenannten »Nachschulungskursen« unterzogen wurde.
Es hatte keinen Zweck, Ausflüchte zu machen.
»Unsere Auswertungen haben ergeben, daß Wasserstoff Höchstwerte für die Ausströmgeschwindigkeit ergibt, die sich letztlich auf die Schubleistung und den Verbrauch eines Raketentriebwerks auswirkt. Wir haben auf seine Verwendbarkeit zugunsten des Arbeitsmediums Wasserdampf verzichtet, da Wasserstoff hinsichtlich seiner Dichte an letzter Stelle der behandelten Medien steht. Hinzu kommt die Tatsache, daß er infolge seiner leichten Entzündbarkeit schwierig zu handhaben und seine Beschaffung verhältnismäßig umständlich ist.«
»So«, meinte er sinnend, »das sind also Ihre Gründe. Ich könnte noch einige anführen, denn …«
»Ja, ich weiß.« Er brachte mich langsam um meine Beherrschung. »Bei hohen Drücken und Temperaturen ist es ein Problem, ein Material zu finden, durch das er nicht diffundiert. Nehmen wir also gewöhnlichen Wasserdampf, zum Teufel!«
»Den nehmen wir bereits, lieber Captain.« Ihm schien es Spaß zu machen, mich in Wut zu bringen. »Sie haben gesehen, daß Wasserdampf ebenfalls sehr gute Werte ergibt. Dazu kommt seine verhältnismäßig hohe Dichte. Wasser ist leicht mitzuführen, überall zu gewinnen und einfach zu handhaben. Die Aufheizung ist kein Problem. Wie lautet die vollständige Dissoziationsgleichung? Bestimmen Sie daraus die Enthalpiewerte.«
Es dauerte eine weitere Stunde, bis er endlich seine Liste zuklappte.
»Ein wundervoller Tag heute, nicht wahr? Was halten Sie von unserem neuen Schwimmbad?«
Augenzwinkernd betrachtete er meine geballten Hände.
Ich ordnete meine Lehrbücher und fuhr mir mit der Hand über das Gesicht. Das war wegen meiner Dienstmaske einigermaßen schwierig.
Die Biosynth-Folie lag wie eine zweite Haut über dem Gesicht und fiel nur dann auf, wenn man genau hinsah. Bei meinem Eintritt in die Reihen der GWA-Schatten war mir diese Maßnahme lächerlich und seltsam unwirklich vorgekommen, bis ich schließlich merkte, wie gut es war, wenn man von niemand persönlich gekannt wurde. Das galt allerdings nur für die aktiven Agenten, die immer wieder mit Spezialaufgaben betraut wurden. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter der »Geheimen-Wissenschaftlichen-Abwehr« waren von der ständigen Tarnung befreit.
Die aktiven Schatten aber hatten die beruhigende Gewißheit, daß sie nur dem Chef der GWA bekannt waren. Diese Tatsache allein bedeutete schon eine Lebensversicherung.
Ich schwitzte unter der hauchdünnen Maske, die sich eng an mein Gesicht schmiegte, doch ich durfte sie nicht abnehmen. Auch Dr. Dr. Tayne wußte nicht, welchen Agenten er stundenlang mit Fragen traktiert hatte. Er hatte mich einfach »Captain« genannt. Das hatte ihm genügt. Nicht einmal meine Haarfarbe hatte er erkennen können, da die Maske, die den Kopf vollständig umschloß, meinen dunklen Haaren einen hellen Blondton verlieh.
Ich nahm die Lehrbücher unter den Arm und sah zu dem Fenster hinüber, das die eine Wandseite einnahm.
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