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Organic

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Titel: Organic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Kava
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wollte, dass sie mit diesem Kerl allein war.
    Als er fast die Tür zu Dr. Lansiks Büro erreicht hatte, flackerte das Licht kurz, bevor es wieder anging. Im Labor knarrte und ratterte es, während die Geräte wieder zum Leben erwachten. Das reichte, um ihn zu bannen. Wie ein Schlafwandler blieb er aufrecht stehen und sah sich blitzschnell um, als wäre er zum ersten Mal hier. Als er Sabrinas Blick bemerkte, steckte er seine Waffe ein und schaltete die Taschenlampe aus.
    „Alles im grünen Bereich“, meinte er. Sabrina hätte nicht sagen können, ob er damit das Labor meinte oder sich selbst.

22. KAPITEL
    Washington D. C.
    Jason Brill stand vor seinem Schreibtisch und schaute auf die aufgeschlagenen Ordner, die über die Arbeitsfläche verstreut lagen, und daneben den Schreibblock mit seinen eigenen krakeligen Notizen. Dann sah er auf und richtete seinen Blick auf die Dart-Zielscheibe, die an der Wand gegenüber hing. Ohne näher heranzugehen, warf er zwei Dartpfeile nacheinander – plop, plop. Er hätte sich freuen sollen – beide hatten ins Schwarze getroffen, aber es war nur eine Ablenkung gewesen, um Stress abzubauen. Kein Wettkampf. Das Zielen auf die Scheibe half ihm beim Nachdenken. Dass er hervorragend warf und selten versagte, bedeutete ihm eigentlich nichts. Was ihm etwas bedeutete, war, wie er den Investitionsausschuss dazu brachte, den Hundertvierzig-Millionen-Dollar-Vertrag mit EcoEnergy durchzuwinken. Irgendwo in diesem Aktenstapel verbarg sich eine Information, die das möglich machen würde.
    Jason arbeitete schon lange genug in Washington D.C., um zu wissen, dass es so etwas wie Gewissheiten nicht gab. Daran hätte ihn Senator Adams gar nicht erinnern müssen. Aber die Maßnahme hatte bereits den Unterausschuss passiert, in dem Senator Adams der Vorsitzende war. Das war schon die halbe Miete gewesen. Eine Ebene höher jedoch gab es Widerstände, die zu überwinden Senator Adams offensichtlich für unmöglich hielt. Aber wenn Jason eine Mehrheit zustande brachte, bedeuteten ein oder zwei Gegenstimmen keine Gefahr mehr.
    Jason warf noch einen Pfeil durch den Raum und drehte sich auch schon weg, als er mitten ins Schwarze traf. Vor seinem Schreibtisch blieb er stehen und blätterte in einem der Ordner. Er überflog die Zeilen, ohne zu wissen, wonach er eigentlich suchte. Vermutlich würde er es schon erkennen, wenn er nur darauf stieß. Seine Herkunft befähigte ihn zwar nicht dazu, bei einem förmlichen Essen mühelos die richtige Gabel zu benutzen, aber wenn Jason etwas gelernt hatte, und das gut, dann, wo und wie er die schmutzigen Flecken auf einer Weste ausfindig machte, wenn jemand ihm im Weg stand. Und wie man eine winzige Information benutzen musste, damit sie die größtmögliche Wirkung entfaltete. Mit anderen Worten – oder denen seiner Familie –, „die Daumenschrauben anzusetzen“. Er hatte gelernt, wie man Rivalitäten ausnutzte, wie man Vertrauen gewann und missbrauchte und wie man nicht nur die Schwächen eines Menschen herausfand, sondern – und das war noch viel wichtiger – was diesem Menschen am meisten am Herzen lag. All dieses Wissen hatte ihn besser befähigt, in der politischen Szene von Washington zu bestehen, als es irgendein Universitätsabschluss vermocht hätte.
    Jason warf das Bündel Papier zurück in den Ordner und griff nach einem ordentlich sortierten Stapel vom Ordner daneben. Er wusste, dass das Lieblingsprojekt von Sherman Davis aus Louisiana der Wiederaufbau der medizinischen Einrichtungen war, die durch den Hurrikan Katrina zerstört worden waren. Ein ehrenwertes Anliegen, aber Jason musste lächeln, als er die letzte Seite des dicken gehefteten Antrags las. Dort stand ganz unten, wenn man die gesamte ermüdende Lektüre bewältigt hatte, in einem Absatz, dass die größte Einrichtung, eine hochmoderne Poliklinik, die in Konkurrenz zur renommierten Mayo-Klinik stehen würde, Sherman Davis Medical Center heißen sollte.
    So war Washington eben, jedenfalls in Jasons Augen. In jedem noch so großzügigen und ehrgeizigen Projekt entdeckte er früher oder später die eigentliche Motivation dahinter, und allzu oft ging es dabei entweder um Stolz und Ego oder um die gute alte Habgier – und manchmal ging es auch um beides. Aber um Sherman Davis machte sich Senator Adams noch am wenigsten Sorgen. Oder, im Jargon der Hauptstadt ausgedrückt: Sherman und John Quincy waren quitt im Austausch von Gefälligkeiten, und daran wollte keiner von beiden etwas ändern.

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