Organic
Nein, Sherman Davis würde kein Problem darstellen, wenn über den Vertrag abgestimmt wurde.
Jason legte die Papiere wieder hin und nahm einen anderen Stapel. Senatorin Shirley Malone aus Indiana wirkte auf den ersten Blick ganz harmlos. Sie war eine große, elegante Frau, die maßgeschneiderte Kostüme trug und immer makellos frisiert war. Sie ähnelte kein bisschen Jasons Bild von der fleischfressenden, in Polyester gekleideten Hausfrau aus dem Mittelwesten, die nur deshalb in die Politik geraten war, weil sie den Sitz im Senat von ihrem verstorbenen Mann übernommen hatte. Aber nachdem sie schon mehrmals hintereinander wiedergewählt worden war, hatte sich Senatorin Malone zu einer Größe gemausert, mit der man rechnen musste.
Als Jason begonnen hatte, nach möglichen Gegenspielern zu suchen, hatte er sich zuerst mit möglichen Konkurrenten auseinandergesetzt. Es schien nahe liegend, dass die Senatoren der Öl produzierenden Bundesstaaten den Vertrag bekämpfen würden – möglicherweise jeden denkbaren Vertrag und damit jeden Erfolg, der EcoEnergy zugutekommen könnte. Er legte den texanischen Senator Max Holden auf den Stapel „Problem“, nahm Senator Davis aus Louisiana dort wieder weg. Und als er die Stapel durchsah, fielen ihm weitere Konkurrenzprodukte wie Bio-Äthanol ein. Und sofort legte er die Akte über Senatorin Malone aus dem großen Mais und Biokraftstoff produzierenden Bundesstaat Indiana wieder auf den Problem-Stapel.
Bis jetzt lagen dort fünf Senatoren. Fünf von insgesamt fünfundzwanzig Mitgliedern des Investitionsausschusses, das war für den Anfang nicht schlecht. Damit ließ sich arbeiten.
Jason sah auf die Uhr und packte den Problem-Stapel in seine lederne Aktentasche. An keinem anderen Ort im Umfeld der geheiligten Hallen des US-Kongresses konnte Jason so viel herausfinden wie in „Wally’s Tavern“. Und wenn er Informationen brauchte oder eher ein wenig Schmutz ausgraben wollte, dann würde er all das genau dort finden. Er warf seinen letzten Pfeil, zog sein Jackett über und wandte sich zum Gehen, ohne seinen letzten Volltreffer auch nur eines Blickes zu würdigen.
23. KAPITEL
Sabrina schaltete die Klimaanlage ihres Autos aus, auch wenn gleich wieder die Windschutzscheibe beschlagen würde. Der Regen hatte aufgehört. Der Sturm war weitergezogen und hatte einen blauen Himmel hinterlassen und die drückende Hitze und Schwüle der vergangenen Tage mit sich genommen. Das war Florida wie aus einem Reiseprospekt, aber Sabrina zitterte trotzdem weiter.
In ihrem Büro hatte sie ihre nassen Sachen gegen eine Jogginghose und ein ausgebeultes T-Shirt aus ihrem Spind getauscht. Eins der Angebote von EcoEnergy an seine Mitarbeiter war ein hochmodernes Fitnesscenter mit Sporthalle und einem Swimmingpool von olympischen Ausmaßen. Aber Sabrina fand es immer ein wenig kontraproduktiv, in einer Halle zu joggen und wiederaufbereitete Luft einzuatmen.
Trotz der Sonne fühlte sich Sabrina deprimiert. Dwight Lansik war verschwunden. Da war sie sich völlig sicher. Und in Reaktor fünf wurde offenbar Abfall der Stufe zwei verarbeitet, ohne dass irgendjemand im Labor etwas davon wusste. Vielleicht hatte Lansik es gestattet, aber Sabrina bezweifelte, dass er es erlaubt hätte, ohne den Spülwassertank mit einzubeziehen. Und als wäre all das nicht schon schlimm genug gewesen, hatten ihr das Gewitter und dieser komische Sicherheitsmann noch den letzten Nerv geraubt. Wenigstens hatte das Fiasko sie ein wenig von der Sorge über ihren Vater abgelenkt.
Ohne den üblichen Kampf mit den Tanklastern wie während der Woche kam sie auf der holprigen zweispurigen Straße gut zurecht. Als die Windschutzscheibe wieder beschlug, ließ sie die Fenster nach unten. Sie sog die frische Luft ein, die nach Kiefern und feuchter Erde roch. Trotz der Sintflut war die Luft irgendwie leichter, nicht mehr die heiße, dicke Masse, die einen einhüllte wie ein feuchtes Badetuch.
Sabrina hatte damals beschlossen, für ihr Vor- und Hauptstudium an der Universität zu bleiben, als ihre Mutter, die in Philadelphia aufgewachsen war, vorgeschlagen hatte, sie solle der Ostküste eine Chance geben. Sabrina hatte die Stadt selten verlassen, nur für ein oder zwei Konferenzen im Jahr, bei denen sie mehr von irgendwelchen Luxushotels gesehen hatte als von den Städten, in denen die Konferenzen stattfanden. An ihren letzten Urlaub konnte sie sich gar nicht mehr erinnern, jedenfalls nicht an einen, der nicht mit einer Konferenz,
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