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den Kerl dahingeschickt hat, gewusst haben, dass der Reaktor angeschlossen und der Alarm aktiviert war.“ Eric erhob sich von dem quietschenden Futon und lief wieder auf und ab. „Oder sie haben ihn eingeschaltet, damit er in die Falle geht.“
„Die einzige Person, die irgendwas an- oder abschalten kann, ist seit Freitag verschwunden“, sagte Sabrina.
„Vergiss an- oder abgeschaltet.“ Eric wurde ungeduldig. Er war übermüdet. Man verlor so leicht den Fokus auf eine Sache. „Wichtiger ist doch, wieso irgendjemand dich -“ Er konnte einfach nicht sagen „umbringen will“. „Warum sollte dich jemand loswerden wollen?“
Anstatt zu antworten, stand Sabrina auf und ging zu ihrer Reisetasche neben der Wohnungstür, wo Eric sie abgestellt hatte, als sie hergekommen waren. Sie suchte in mehreren Fächern, bis sie einen kleinen Plastikbeutel herauszog. Sie legte ihn auf den Tisch, ein Stück weg von Miss Sadie und der Pizza.
Eric konnte den Inhalt nicht erkennen. Es sah aus wie orange- und cremefarbene Klümpchen mit Metallstückchen darin.
„Ich glaube, es hat hiermit etwas zu tun.“
„Was ist das?“ Eric griff nach dem Beutel und befingerte ihn. Der Inhalt fühlte sich glibberig an.
„Ich weiß es nicht genau.“ Sabrina warf einen flüchtigen Blick auf den Beutel. „Was es auch ist, ich habe es aus dem Rohr geholt, durch das eigentlich nur Klarwasser fließen sollte, kurz vor dem Ausgang in den Fluss.“
69. KAPITEL
Chattahoochee, Florida
Leon hörte zu. Er war sich nicht sicher, was von Arthur Galloways Geschwafel stimmte und was nur seiner Fantasie oder seinen Halluzinationen entsprang. Er wusste, dass Galloways Frau Meredith vor gut zwei Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Aber der alte Trottel sprach von ihr, als wäre sie noch am Leben und in bester Verfassung, als würde er sogar mit ihr essen gehen. Leon wagte es nicht, den Alten zu unterbrechen, aus Angst, er würde ihn damit ganz zum Schweigen bringen. Und irgendwo in diesem Geschwafel musste sich doch der Hinweis verstecken, auf den er wartete. Also hörte er einfach zu.
Während Galloway von seiner geliebten Meredith sprach, spielte er nicht Klavier.
„Sie war das hübscheste Mädchen auf dem ganzen Campus“, erklärte er Leon, während seine Zunge unruhig in seinem Mund herumfuhr und gelegentlich nach draußen kam. „Ich wäre fast gestorben, als sie mich eines Tages einfach so ansprach.“
Galloways Blick glitt weiter unruhig im Raum umher, als würde er ein imaginäres Tennismatch beobachten. Aber jetzt entdeckte Leon darin ein Glimmen, und trotz der unkontrollierten Bewegungen seiner Zunge lächelte der alte Mann.
„Sie saß draußen auf dem Campusgelände“, erzählte Galloway. „Sie verbrachte ihre Mittagspause damit, zu zeichnen, und trank dabei Mineralwasser.“
Leon hörte aufmerksam zu, wie Galloway von seiner zuckersüßen Liebesgeschichte mit romantischen Picknicks und Spaziergängen im Regen berichtete. Er wusste nicht, wann der Moment gewesen war, aber irgendwann beneidete er den alten Herrn, anstatt innerlich die Augen zu verdrehen. Wie musste es wohl sein, überlegte er, jemanden so sehr zu lieben, dass man ohne ihn nicht mehr leben wollte?
Leon behauptete ganz sicher nicht von sich, allzu viel über die menschliche Psyche zu wissen, aber es brauchte auch keinen Abschluss in Psychologie, um zu sehen, was mit Arthur Galloway los war. Der Kerl war nicht verrückt. Wenn Leon richtiglag, dann war er so helle, wie man nur sein konnte. Leon fragte sich, ob der Mann sich nicht einfach nur seine eigene Realität geschaffen hatte – eine, in der seine geliebte Meredith noch lebte. Denn in seiner Vorstellung war sie noch immer da. In seiner Vorstellung konnte er sie noch immer sehen, und das konnte auch Leon, als Galloway ihre tonverschmierten Hände beschrieb, während sie ihr letztes Meisterwerk schuf. Als er ihn von ihr sprechen hörte, selbst über ihren Geruch – eine Mischung aus Ölfarbe und Kräutershampoo –, hätte sie ebenso gut im selben Raum mit ihnen sein können. Leon erwischte sich dabei, wie er über die Schulter schaute, als Galloways Blick in diese Richtung abdriftete und etwas länger dort verweilte als sonst.
Wo konnte man sich besser in seine Fantasiewelt zurückziehen als da, wo genau das von einem erwartet wurde? Und wo man versorgt wurde, während man selbst sich zurücklehnte und in der Vergangenheit lebte. Mann, der Alte hatte es wirklich drauf – der flackernde
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