Ort des Grauens
die Worte nicht entgangen waren.
Lee Chen trat aus der Empfangshalle ins Zimmer. Er trug einen Stapel von Ausdrucken herein. Leise schloß er die Tür. Julie legte einen Finger an die Lippen und bedeutete ihm, er solle sich auf das Sofa setzen.
Jackie redete beruhigend auf Frank ein und versuchte die Furcht zu dämpfen, die ihn elektrisiert hatte.
Plötzlich stieß Frank einen lauten Angstschrei aus. Er klang mehr wie der eines verängstigten Tieres denn der eines Mannes. Er setzte sich sogar noch gerader auf. Er öffnete die Augen, sah aber ganz offensichtlich nichts, was sich in dem Zimmer befand. Er war noch immer in Trance. »O mein Gott, er kommt, nun kommt er, die Zwillinge müssen ihm erzählt haben, daß ich hier bin, er kommt!«
Franks nackte Angst war so intensiv, daß sich etwas davon auf Julie übertrug. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und sie begann, heftiger zu atmen, flacher.
In einem Versuch, sein Medium so weit zu entspannen, daß es zur Kooperation in der Lage war, sagte Jackie: »Beruhigen Sie sich, Frank. Entspannen Sie sich, seien Sie ganz ruhig. Niemand kann Ihnen etwas tun. Nichts Unangenehmes wird geschehen. Seien Sie ruhig, entspannt, ruhig ...«
Frank schüttelte den Kopf. »Nein, nein, er kommt, er kommt, dieses Mal wird er mich kriegen. Verdammt, warum bin ich nur hierher zurückgekehrt? Warum bin ich zurückgekehrt, warum habe ich ihm die Chance gegeben, mich zu kriegen?«
»Entspannen Sie sich jetzt...«
»Er ist hier!« Frank versuchte aufzustehen, schien nicht fähig, die Kraft aufzubringen und bohrte seine Fingerspitzen sogar noch tiefer in den Kunststoffbezug der Armlehne. »Er ist genau hier, und er sieht mich, er sieht mich.«
»Wer ist er, Frank?« fragte Bobby, und Jackie wiederholte die Frage.
»Candy. Es ist Candy!« Als er noch einmal nach dem Namen des Mannes gefragt wurde, den er so fürchtete, wiederholte er: »Candy.«
»Sein Name ist Candy?«
»Er sieht mich.«
Mit noch energischerer und befehlenderer Stimme als vorher sagte Jackie: »Sie werden sich entspannen, Frank. Sie werden ruhig und entspannt sein.«
Aber Frank wurde nur noch erregter. Er war in Schweiß ausgebrochen. Seine Augen, auf etwas fixiert, das an einem fernen Ort in einer fernen Zeit war, waren wild. Seine Angst schien ihn in eine herzzerreißende Panik hineinzutreiben.
»Ich habe ihn kaum noch unter Kontrolle«, sagte Jackie besorgt. »Ich werde ihn da rausholen müssen.«
Bobby rutschte auf der Stuhlkante vor. »Nein, noch nicht. In einer Minute, aber jetzt noch nicht. Fragen Sie ihn nach Candy. Wer ist der Kerl?«
Jackie wiederholte die Frage.
Frank antwortete: »Er ist der Tod.«
Stirnrunzelnd sagte Jackie: »Das ist keine klare Antwort, Frank.«
»Er ist der wandelnde Tod, er ist der lebende Tod, er ist mein Bruder, ihr Kind, ihr Lieblingskind, ihre Brut, und ich hasse ihn, er will mich töten, da kommt er!«
Mit einem markerschütternden Angstschrei begann Frank, sich aus dem Stuhl herauszustemmen.
Jackie befahl ihm zu bleiben, wo er war.
Frank setzte sich widerstrebend hin, doch seine Panik wuchs nur, weil er immer noch Candy sehen konnte, der auf ihn zukam.
Jackie versuchte, ihn fortzukriegen von diesem Ort in der Vergangenheit, vorwärts in die Gegenwart und heraus aus der Trance. Er hatte keinen Erfolg.
»Ich muß weg hier, jetzt, jetzt, jetzt!« rief Frank verzweifelt.
Julie hatte Angst um ihn. Sie hatte noch nie einen Menschen gesehen, der mitleiderregender und verletzlicher ausgesehen hatte. Er war in Schweiß gebadet, zitterte furchterregend. Das Haar war ihm in die Stirn gefallen, in die Augen, störte aber nicht die Sicht auf die Vision der Todesangst, die er aus der Vergangenheit heraufbeschworen hatte. Er umklammerte die Armlehnen des Bürostuhls so fest, daß einer der Fingernägel seiner rechten Hand den Kunststoffbezug schließlich durchbohrte.
»Ich muß hier raus«, wiederholte Frank gequält.
Jackie sagte ihm, er solle bleiben, wo er war.
»Nein, ich muß weg von ihm!«
Jackie Jaxx sagte zu Bobby gewandt: »So etwas ist mir noch nie passiert. Ich habe keine Kontrolle mehr über ihn. Mein Gott, schauen Sie ihn nur an, ich fürchte, der Mann hat gleich eine Herzattacke.«
»Nun machen Sie schon, Jackie, Sie müssen ihm helfen«, sagte Bobby in scharfem Ton. Er stand auf, hockte sich neben Frank, legte tröstend die Hand auf Franks, suchte ihn offenbar zu beruhigen.
»Bobby, lassen Sie das!« rief Clint und stand so schnell auf, daß der
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