orwell,_george_-_tage_in_burma
seine schwarzen Lippen zurück, um die Fangzähne zu untersuchen. Bald fällten zwei von den Treibern einen hohen Bambus und hängten den Leoparden an den Pfoten daran auf; sein langer Schwanz schleppte nach, und dann marschierten sie im Triump h zurück ins Dorf. Von weiterem Schießen war keine Rede, obgleich es noch hell genug gewesen wäre. Sie alle, auch die Europäer, drängte es nach Hause, wo sie sich mit ihren Taten rühmen konnten.
Flory und Elizabeth gingen Seite an Seite über das Stoppelfeld. Die anderen mit den Gewehren und dem Leoparden waren ihnen dreißig Meter voraus, und Flo schlich ein großes Stück hinter ihnen her. Die Sonne ging hinter dem Irrawaddy unter. Das Licht schien gleichmäßig über das Feld und vergoldete die Stoppeln und beleuchtete ihre Gesichter mit sanftem, gelbem Glanz. Elizabeths Schulter berührte fast Florys Schulter beim Gehen. Der Schweiß, der ihre Hemden durchnäßt hatte, war wieder getrocknet. Sie sprachen nicht viel. Sie waren glücklich es war dieses Übermaß an Glück, wie es sich vor Erschöpfung nach einer Leistung einstellt und mit dem nichts anderes zu vergleichen ist - keine Freude des Körpers oder der Seele.
»Das Leopardenfell gehört Ihnen«, sagte Flory, als sie sich dem Dorf näherten.
»Oh, aber Sie haben ihn geschossen!«
»Macht nichts, Sie kriegen das Fell. Teufel, ich möchte wissen, wie viele Frauen in diesem Lande so klaren Kopf behalten hätten wie Sie! Ich sehe sie direkt kreischen und in Ohnmacht fallen. Ich werde das Fell für Sie im Gefängnis von Kyauktada beizen lassen. Da ist ein Häftling, der kriegt die Felle so weich wie Samt. Er ist zu sieben Jahren verurteilt, hat also Zeit gehabt, sein Handwerk zu lernen.«
»O ja, vielen vielen Dank!«
Mehr sagten sie fürs erste nicht. Später, wenn sie Schweiß und Schmut z abgewaschen, etwas gegessen und sich ausgeruht hatten, würden sie sich wieder im Club treffen. Es brauchte keine Verabredung, es war selbstverständlich, daß sie sich treffen würden. Ebenso selbstverständlich war es, daß Flory Elizabeth bitten würde, ihn zu heiraten, obwohl auch darüber nichts gesagt wurde.
Im Dorf zahlte Flory jedem Treiber acht Annas, überwachte das Abhäuten des Leoparden und gab dem Anführer eine Flasche Bier und zwei von den Kaisertauben. Das Fell und der Schädel wurden in das eine Kanu gepackt. Alle Barthaare waren trotz Ko S’las wachsamen Bemühungen gestohlen worden. Einige junge Männer aus dem Dorf trugen den Kadaver fort, um das Herz und verschiedene andere Organe zu essen, was sie ihrem Glauben nach so stark und flink wie den Leopa rden machen würde.
XV
Als Flory in den Club kam, fand er die Lackersteens in ungewöhnlich verdrossener Stimmung. Mrs. Lackersteen saß wie üblich auf dem besten Platz unter dem Punkah und las die Zivilliste, den Debrett von Burma. Sie war nicht gut auf ihre n Mann zu sprechen, der ihr die Stirn geboten und sich gleich beim Eintreten einen ›Doppelten‹ bestellt hatte und sie außerdem noch dadurch ärgerte, daß er den Pink’un las. Elizabeth saß allein in der stickigen kleinen Bibliothek und blätterte in einer alten Nummer von Blackwood’s.
Nach ihrer Trennung von Flory hatte Elizabeth ein sehr unangenehmes Abenteuer gehabt. Sie war aus dem Bad gekommen und halb fertig mit dem Umziehen zum Dinner gewesen, als ihr Onkel plötzlich in ihrem Zimmer erschienen war - unter dem Vorwand, noch weiteres über ihre Jagderlebnisse zu hören - und angefangen hatte, sie in schlechthin unmißverständlicher Weise ins Bein zu kneifen. Elizabeth war entsetzt. Es war ihre erste Erfahrung mit der Tatsache, daß manche Männer imstande sind, sich ihren eigenen Nichten zu nähern. Man lernt nie aus. Mr. Lackersteen hatte versucht, das Ganze als einen Scherz abzutun, aber dazu war er zu plump und auch schon fast zu betrunken.
Zum Glück war seine Frau nicht in Hörweite, sonst hätte es einen erstklassigen Skandal abgesetzt.
Das Dinner danach war eine etwas unbehagliche Mahlzeit, Mr. Lackersteen grollte. Was für ein Quatsch, wie sich diese Frauen zierten und einen an seinem Vergnügen hinderten! Das Mädchen war so hübsch, daß sie ihn an die Illustrationen in La Vie Parisienne erinnerte, und zum Teufel! bezahlte er nicht ihren Unterhalt? Es war eine Schande. Aber für Elizabeth war die Lage sehr ernst. Sie besaß keinen Pfennig und kein Zuhause außer dem Haus ihres Onkels. Sie war achttausend Meilen weit gereist, um hier zu bleiben. Es wäre schrecklich,
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