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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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zurück. Sie trug ein Silbertablett, das sie auf dem niedrigen Tisch neben Joe abstellte. Schwarzer Kaffee in einer weißen Porzellantasse, ein Schälchen Zuckerwürfel, ein kleines Kännchen Kaffeesahne. Lächelnd blickte sie zu Joe auf. Madam Seng sagte etwas, was Joe nicht mitbekam, und das Mädchen verließ sie rasch wieder.
    »Ich suche nach …«, sagte er und verstummte dann, rührte Zucker und Sahne in den Kaffee und nahm einen Schluck; er schien sein Gehirn in Brand zu stecken. »Osama bin Laden«, sagte er nachdenklich.
    Madam Seng nickte langsam.
    »Ich glaube, den haben sie auch gesucht«, sagte sie.

Vergiss Chinatown
    Inzwischen kannte er den Weg. Zum dritten Mal ging er den Weg zurück, auch wenn einmal nur im Traum gewesen war.
    »Kommen Sie nicht wieder her«, hatte Madam Seng gesagt. Spontan hatte er sich vorgebeugt, sie auf die Wange geküsst. Ihre Haut fühlte sich kalt an. Sie wich zurück und lächelte. Ihre Augen waren hinter einem Nebelschleier verborgen. »Manchmal«, sagte sie, »kann man nie mehr nach Hause zurück.«
    Er nickte, ein Mal. Sie berührte sein Gesicht, betrachtete es, als suchte sie darin nach etwas Verborgenem, nach den Zügen von jemand anderem. »Es führt kein Weg in diese Richtung«, sagte sie. »Vergiss es, Joe. Vergiss Chinatown.«
    Er kehrte ihr den Rücken. Als er hinaustrat, machte die kühlere Luft ihn wach. Hinter ihm schloss sich lautlos die Tür. Das Tableau der schweigenden Trinker hinter den schmutzigen Scheiben des Edwin Drood war unberührt. Er ging die Little Newport hinunter und überlegte, ob sie wohl nach einem besonders kleinen und beweglichen Schornsteinfeger benannt worden war. Er bog nach links auf die Charing Cross Road ab, überquerte die Shaftesbury Avenue, sah Foyle’s in der Ferne. Einer plötzlichen Regung folgend, ging er hinein. Trotz der späten Stunde hatte der Laden geöffnet. Hinter der Theke gleich vorne saß eine junge Frau. Er ging zu ihr.
    »Kann ich Ihnen helfen?«
    »Haben Sie Mike-Longshott-Bücher?«
    »Mike Longshott …«, sagte sie. »Warten Sie mal.«
    Sie griff nach einem dicken Ordner und fing an, ihn durchzublättern.
    »Die Osama-bin-Laden-Serie«, sagte Joe. Die Frau hob den Kopf. Klappte den Ordner zu. Verzog angewidert den Mund. »Ach so, die .«
    »Haben Sie sie?«
    »So ein Zeug haben wir hier nicht auf Lager«, sagte sie. »Versuchen Sie’s weiter oben in der Straße.«
    Joe folgte ihrem Zeigefinger. Der deutete auf die Tür.
    Mit dem Gefühl, das schon einmal erlebt zu haben, verließ er die Buchhandlung und setzte seinen Weg fort, durch die grauen Straßen Londons wandernd, die Gesichter von Nachtmenschen absuchend, die zu dieser Stunde unterwegs waren, wissend, dass er beobachtet wurde. Er hätte geradewegs die Shaftesbury Avenue hinunter zu seinem Ziel gehen können, doch er wählte diesen Weg, weil er ihnen ein Gefühl für sich vermitteln wollte. In diesem London gab es keine Kameras, aber dennoch heimliche Beobachter. Er bog auf St. Giles ab, weg von den Galgen, die es nicht gab, und während er die High Holborn entlangging, spürte er, wie die Intensität der verborgenen Beobachter stärker wurde.
    Es gab keine U-Bahn-Station Britisches Museum.
    Aber früher hatte es mal eine gegeben.
    Bis Holborn hinter ihnen her. Wieder verloren .
    Wo die High Holborn mit dem Bloomsbury Court zusammentraf …
    Auf dem Weg vom Dog & Duck hatte er es nachgeschaut. Ein Buchladen für Eisenbahn- und Straßenverkehr, wie man ihn nur in London finden kann. Ein Buchhändler mit Hunderten gebunkerter privater Notizbücher, in denen auf nebligen Bahnsteigen verbrachte Tage, Ankunfts- und Abfahrtszeiten festgehalten waren. Eine Haltestelle Britisches Museum gab es nicht, hatte es aber gegeben, vor dem Krieg. Es heiße, dort habe es gespukt, sagte der Ladeninhaber im Flüsterton und lachte. Es heiße, da unten liege eine ägyptische Mumie. Da unten hause ein Kannibalenstamm. Während des Krieges sei es ein Luftschutzbunker gewesen. Ein Militärposten. Obdach für eine Gruppe von Flüchtlingen aus einem Krieg, von dem niemand je gehört habe. Die Haltestelle habe in der Nähe von High Holborn gelegen, das Stationsgebäude existiere jedoch nicht mehr. Übrig geblieben seien nur die Tunnel …
    Die Büros einer Baugesellschaft. Ein Pub mit geschlossenen Fensterläden. Um das Gebäude herum eine kleine hölzerne Tür, verriegelt und unauffällig, gemasertes Holz und abblätternde grüne Farbe. Etwas weiter weg eine dunkelblaue

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