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Osama (German Edition)

Osama (German Edition)

Titel: Osama (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lavie Tidhar
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Polizeizelle, leer, das Blaulicht aus. Joe näherte sich der Holztür. Der Griff war entfernt worden. Er starrte sie an. Er konnte die Stille um sich herum spüren. Was sich hinter der Tür befand. Er konnte umkehren, weggehen. Antworten waren unter der Erde begraben, in nicht gekennzeichneten Gräbern. Er sog die Londoner Nachtluft ein, dann trat er gegen die Tür. Das Holz splitterte, die Tür fiel nach innen und gab den Blick auf die Dunkelheit dahinter frei. Auf diese Dunkelheit ging er zu.

Die Hölle ist eine aufgegebene Haltestelle
    Moosglitschige Steinstufen hinabsteigen. Sein Zippo vor sich haltend, bröckelndes, mit alten Graffiti besprühtes Mauerwerk beleuchten. Einen Moment lang dachte er an den Mann mit dem Kastorhut, der, eine Laterne in der Hand, mit leichenblassem Gesicht die breite Treppe herunterkam. Immer weiter unter die Erde. Das Gewicht festgedrückter Erde über seinem Kopf. Hinunter zu einer ebenen Fläche: einem Bahnsteig. Er hatte immer noch Mos Pistole. Die hielt er jetzt in einer Hand, das Feuerzeug in der anderen, die Flamme tänzelnd, sein Schatten an der Spitze seiner Füße endend. Eine Stimme, so kalt wie eine unterirdische Quelle, sprach durch die Dunkelheit. »Mr. Privatdetektiv«, sagte sie. »Sie hätten nicht hierherkommen sollen.«
    Joe blieb stehen, ließ die Flamme erlöschen. »Ich wünschte, die Leute würden aufhören, mir das zu sagen«, erwiderte er. Der unsichtbare Sprecher lachte. Joe hörte ein Rascheln, und etwas streifte im Vorbeigehen seine Füße. Hier gibt es Ratten, dachte er.
    Manche hatten sogar vier Beine.
    »Von denen, die unter die Erde gehen«, sagte die Stimme, »kommen manche nicht wieder zurück.«
    Es war nicht die Stimme des Herrn im karierten Hemd. Jemand anders …
    Verstohlene Bewegung hinter ihm. Sie mussten ihm die Treppe hinunter gefolgt sein, die, die ihn oben beobachtet hatten. Joe trat vorsichtig zur Seite, spürte die Mauer an der Schulter.
    »Hübsch haben Sie’s hier«, sagte er.
    Jemand spuckte aus. »Sie sind hartnäckig, Mr. Joe, das muss ich Ihnen lassen«, sagte die Stimme. »Eine nützliche Eigenschaft in Ihrem Metier, würde ich meinen.«
    Mit erhobener Pistole bewegte Joe sich langsam vorwärts.
    »Und stur. Was weniger nützlich ist. Unfähig zu sehen, was Sie vor sich haben …«
    Hier und jetzt konnte er gar nichts sehen. Er tastete sich nach Gehör vor. Zwei Paar Füße hinter sich, die den Weg nach draußen versperrten. Die Stimme vor sich. Wie viele noch? Erneut blieb er stehen. Zu sprechen würde ihnen verraten, wo er war, aber …
    Er sagte: »Osama bin Laden.«
    Hinter ihm im Dunkel fluchte jemand. Er verstand die Worte nicht. »Was glauben Sie zu finden?«, fragte Joe. Ihm fiel die frühmorgendliche Unterhaltung mit einem dieser Männer wieder ein. »Ein Gesicht in den Wolken?«, sagte er.
    »Wir versuchen«, sagte die Stimme, und jetzt war sie nicht mehr kalt, sie war wütend, »das Paradies zu finden.«
    »Müssen Sie nicht erst sterben, um dorthin zu gelangen?«, fragte Joe.
    »Ja«, sagte die Stimme. »Genau darum geht es.«
    »Wo ist Osama bin Laden?«, fragte Joe.
    »Nicht hier«, sagte eine neue Stimme, vor ihm. Der Mann in den schwarzen Schuhen. Seine Stimme konnte man schwerlich vergessen. »Ich sage Ihnen vorher, Sie machen keine Schwierigkeiten.« Das klang aufrichtig erstaunt. »Warum Sie machen Schwierigkeiten? Jetzt Sie töten.«
    »Dann warte ich einfach schon mal im Paradies auf Sie«, sagte Joe. Ein Wort, das die Frau in Paris benutzt hatte, kam ihm in den Sinn. » Nangilima «, sagte er. Es war der Name eines Landes jenseits von diesem Land – ein Wort für anderswo. Er wusste, dass er eine Zigarette wollte, und unterdrückte den Drang danach. Der Mann mit den schwarzen Schuhen sagte: »Warum ist er nicht hier? Warum er nicht gekommen?«
    »Sei still!«, sagte die erste Stimme. Doch die andere sprach weiter. »Ihr, ich, wir gehen. Wir halten uns an Plan. Aber Plan falsch. Wo Paradies? Warum er nicht gekommen?«
    Wie viele Kugeln? Wie viele Männer?
    »Vielleicht Hölle«, sagte der Mann mit den schwarzen Schuhen. »Vielleicht Hölle ist verlassene Haltestelle.«
    »Sei still «, sagte die erste Stimme. Und dann: »Vielleicht ist er hier.«
    Joe sagte: »Mike Longshott.«
    Er schob sich zentimeterweise vorwärts. Die Stimmen waren jetzt näher bei ihm. Die zwei in seinem Rücken hatten sich nicht bewegt.
    Die erste Stimme sagte: »Ja.«
    »Ich hätte ihn für Sie finden können.«
    »Vielleicht«, sagte

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